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Jugendgewalt: In Berliner Bussen fehlen moderne Kameras

Im vergangenen Jahr gab es mehr als 200 Angriffe auf BVG-Personal. Mit Videoaufzeichnungen ließen sich Täter dingfest machen - und Fahrer wie Fahrgäste schützen. Doch die Verkehrsbetriebe haben ein altes Versprechen nicht eingelöst.

Die Serie der Gewalt von Jugendlichen im öffentlichen Nahverkehr setzt sich fort. Diesmal wurden zwei Busfahrer der BVG angegriffen und bedroht. Sieben Täter wurden festgenommen. In Zehlendorf wurde ein Busfahrer mit dem Messer bedroht. In Kreuzberg griffen am Donnerstagabend vier Jugendliche einen BVG-Busfahrer an und verletzten ihn. Aufgezeichnet wurde diese Attacke in der Linie M29 nicht. Denn weiterhin ist bei der BVG nur jeder zweite Bus mit Videokameras ausgerüstet. Von diesen verfügt nur jeder vierte über eine moderne Videoanlage, mit der die aufgezeichneten Bilder automatisch gespeichert werden. Damit entsprechen nur 140 von 1200 Bussen dem neuesten Überwachungsstandard. In 463 Bussen werden die Bilder alle sechs Minuten überspielt.

Vor genau zwei Jahren hatte das Unternehmen angekündigt, „innerhalb von sechs Wochen“ alle Busse so umzurüsten, dass die Bilder automatisch gespeichert werden können. Dies ist an technischen Problemen gescheitert, gab die BVG gestern zu. Damals, im Dezember 2005, war nach einem spektakulären Mordfall bekannt geworden, dass die Bilder nur gespeichert werden, wenn der Busfahrer zuvor einen Knopf drückt. Als ein 18-Jähriger in einem Linienbus in Köpenick erstochen wurde, hatte der Fahrer vergessen, den Knopf zu betätigen – so gab es keine Bilder vom Täter. Erst nach diesem Mordfall hatte der Datenschutzbeauftragte auf Druck von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Widerstand gegen die automatische Speicherung der Überwachungsvideos aufgegeben.

Auch diesmal gibt es nur von einer der drei jüngsten Attacken in Bussen Videobilder: Als Mittwochabend Koray D. an der Neuköllner Sonnenallee eine Türscheibe zertritt und einen Fahrgast niederschlägt, hatte der Busfahrer daran gedacht, mit dem Alarmknopf die Kamera zu aktivieren. Als dagegen in der Nacht zu Freitag Mohammed H. (15) in der Kreuzberger Kochstraße dem Busfahrer Michael B. ins Gesicht schlägt, und „Alles scheiß Deutsche!“ brüllt, gibt es in dem alten Doppeldecker keine Kamera. Doch der Fahrer hat Glück: Ein Polizist im Feierabend – dem Vernehmen nach ein türkischstämmiger Beamter – rennt der Gruppe nach und stellt Mohammed, Burhan, Sedat und Ancelo. Der jüngste, Mohammed H., wird als so genannter Intensivtäter geführt.

BVG-Sprecherin Petra Reetz freute sich, dass die Täter festgenommen wurden: „Das ist psychologisch sehr wichtig für den Busfahrer.“ Mohammed H. war jedoch nach kurzer Zeit wieder frei. Auch bei der zweiten Attacke wurde Haupttäter Tim P. wieder nach Hause entlassen, er wird als „Schwellentäter“ geführt. Dies ist nach der neuen Definition von Polizei und Justiz die Vorstufe zum Intensivtäter.

Nach Angaben der BVG gab es in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 218 Angriffe gegen Fahrer. 174 dieser Vorfälle ereigneten sich im Bus, der Rest in Straßenbahn und U-Bahn. 44 Busfahrer waren länger als drei Tage krank geschrieben, für die BVG sind das die „schweren“ Fälle. 130 Busfahrer waren in „leichte“ Angriffe verwickelt. Die BVG zeigte sich angesichts der Brutalität des Kreuzberger Angriffs ratlos. „Da hilft auch kein Deeskalationstraining, wenn man ohne Vorwarnung eins in die Fresse bekommt“, sagte Sprecherin Petra Reetz. BVG-Vorstand Thomas Necker betonte, man dürfe derartige Gewalt nicht hinnehmen. Die Zahl der schweren Attacken ist 2007 im Vergleich zu 2006 gesunken, die der leichten Angriffe gestiegen. Die Stimmung unter den Fahrern sei aber immer noch gut, versicherte Reetz.

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