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Jugendgewalt: Tempoverschärfung

Familiengericht geht zügig gegen Eltern von Schulschwänzern vor. Auch Jugendrichter handeln jetzt schneller. Was sich geändert hat seit der Debatte um Jugendgewalt und -strafrecht.

Von Sabine Beikler

Nichts hat genützt: keine Gespräche mit den Eltern, keine Androhung von Ordnungsgeld, keine polizeiliche Zuführung. Drei Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahre sind über einen längeren Zeitraum wochenlang nicht zur Schule gekommen. Nach Tagesspiegel-Informationen hat erstmals ein Berliner Familiengericht in einem beschleunigten Verfahren bei Kindswohl-Gefährdung gehandelt und den Eltern mit dem Entzug des Sorgerechts gedroht. „Es verging nur ein Monat zwischen Ladung und Anhörung “, bestätigte Katrin-Elena Schönberg, Sprecherin der Zivilgerichte in Berlin. „Dieser Fall ist mir besonders wichtig, weil Behörden und Justiz deutlich gemacht haben, dass Eltern, die nicht darauf achten, dass ihre Kinder zur Schule gehen, sich an ihren Kindern vergehen. Hier sehen wir nicht mehr tatenlos zu, denn für den Staat muss das Kindeswohl Vorrang haben“, sagte Jugendsenator Jürgen Zöllner (SPD).

„Alle vorhergehenden Maßnahmen, die wir getroffen haben, haben nichts genützt. Man kann nur hoffen, dass diese gerichtliche Androhung für die Eltern ein Warnschuss ist und sie das ernstnehmen“, sagte Brigitte Unger, Leiterin der Karlsgarten-Schule in Neukölln. Sie hatte Mitte November beim Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg einen Antrag auf „Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft“ gestellt. Am 6. Dezember hielt sie die Ladung in den Händen, am 2. Januar war bereits die Anhörung.

In die Karlsgarten-Schule in Neukölln- Nord gehen 450 Schüler, die Migrationsquote liegt bei 90 Prozent. Ob die drei betroffenen Kinder aus einer Migrantenfamilie stammen, wollte die Schulverwaltung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen.

Das Bundeskabinett hat das schnellere Eingreifen in das Sorgerecht im vergangenen Jahr beschlossen. Das Gesetz sieht unter anderem neue Möglichkeiten unterhalb der Schwelle des Sorgerechtsentzugs vor, um auf überforderte Eltern einzuwirken. Dieser Gesetzesentwurf wird derzeit in den Bundestagsausschüssen beraten und soll Mitte 2008 in Kraft treten. Anders als bisher muss dann den Eltern ein Fehlverhalten nicht mehr nachgewiesen werden. In dem Berliner Fall hat das Familiengericht das beschleunigte Verfahren bereits als Teil eines Modellprojektes angewandt.

Es dauere zu lange, bis Konsequenzen gezogen werden: Dieser Satz wird von den Experten in der aktuellen Diskussion um Jugendgewalt, Jugendstrafrecht und Vernachlässigung unaufhörlich wiederholt. Und dabei geht es den Fachleuten auch darum, dass junge Straftäter schnell und konsequent spüren, dass ihre Tat nicht folgenlos bleibt.

Seit Januar läuft dazu in Neukölln ein berlinweit einzigartiges Modellprojekt. Von der Anzeige bis zur Verurteilung vergehen maximal zwei Wochen. Das „vereinfachte Verfahren“ ist aber nicht für die Serientäter, sondern für Fälle mit einfacher Beweislage gedacht, bei denen noch keine Gefängnisstrafe in Betracht kommt. „Wir arbeiten mit Polizei, Jugendamt und Staatsanwaltschaft Hand in Hand“, sagte Jugendrichterin Kirsten Heisig, die mit zwei anderen Kollegen für verschiedene Neuköllner Abschnitte zuständig ist. Kommt es zu einer Anzeige zum Beispiel wegen Diebstahls landet der ganze Vorgang innerhalb von ein paar Tagen auf ihrem Tisch. „Wir müssen schneller werden, damit die Erst- oder Zweittäter strafrechtliche Konsequenzen auch zügig spüren.“

Auch der Rechtsausschuss will sich am heutigen Mittwoch mit dem Thema Jugendkriminalität befassen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Oberstaatsanwalt Roman Reusch werden aber nicht an der Sitzung teilnehmen. Körting sei terminlich verhindert, hieß es aus der Verwaltung. Und Reusch sei nicht befugt, sich zum Thema Jugendgewalt zu äußern. Das werde Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) übernehmen.

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