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Berlin: Jugendliche Täter: Volle Verantwortung schon ab 18?

Staatsanwalt fordert 10 Jahre Haft für Doppelmord Brutale Tat löst Debatte um das Jugendstrafrecht aus

Wenn am Freitag das Urteil gegen David K. verkündet ist, dann ist sein Fall vielleicht erledigt – aber die Diskussion um das Jugendstrafrecht noch längst nicht. Der 21-Jährige gestand vergangene Woche Dienstag vor Gericht, zwei alte Frauen ermordet zu haben. K. tötete nach Plan, kaltblütig und unbewegt; vor Gericht gab er an, sein Berufswunsch sei Killer gewesen. Zum Tatzeitpunkt war er 20 Jahre alt. Das Gericht hält ihn für voll schuldfähig und beschloss, Jugendstrafrecht anzuwenden. Das bedeutet höchstens zehn Jahre Freiheitsstrafe. Vielen erscheint das für einen Doppelmord zu niedrig, zumal denkbar ist, dass K. früher auf freien Fuß kommt.

Soll jeder mit dem 18. Geburtstag voll für seine Taten verantwortlich sein? Die unionsgeführten Länder bejahen diese Frage; sie haben eine Bundesratsinitiative gestartet. Damit wollen sie erreichen, dass Straftäter ab 18 nur noch in Ausnahmefällen nach Jugendstrafrecht beurteilt werden. Bisher ist das im Jugendgerichtsgesetz nicht ausdrücklich geregelt; in seinem Paragraphen 105 steht lediglich, das Jugendrecht sei anzuwenden, wenn es sich um eine Jugendverfehlung handelt oder der Täter nach seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, als er die Tat beging. In der Berliner Praxis wird gut die Hälfte der Heranwachsenden, also der Täter zwischen 18 und 21 Jahren, nach Jugendstrafrecht verurteilt – im Jahr 2002 waren das 2305 von 4486. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. „Das zeigt schon, dass es keinen Automatismus gibt“, sagte Justiz-Sprecherin Andrea Boehnke. Jeder Fall werde einzeln geprüft, fast genauso oft werde nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt.

Der CDU-Rechtspolitiker Michael Braun hält die derzeitige Regelung für inkonsequent. „Die Frage ist doch: Wann ist man reif?“, sagt Braun. „Zivilrechtlich ist der Gesetzgeber der Meinung, mit 18 könne man die volle Verantwortung tragen. Dann sollte das auf allen Feldern gelten.“ Schließlich kämen in seine Kanzlei oft Jugendliche, die sich tief verschuldet hätten und dafür voll haften, sagt Braun, der zugleich Anwalt ist.

Die Bundesregierung, Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) sowie praktisch alle Experten lehnen den CDU-Vorstoß allerdings ab. „Das Jugendstrafrecht ist nicht unbedingt milder, es ist vor allem viel differenzierter“, sagt zum Beispiel der Kriminologe und frühere niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer (SPD). Der Jugendrichter könne Instrumente wie Trainingskurse, Erziehungsmaßnahmen oder gemeinnützige Arbeit anordnen. Dagegen sei das normale Strafrecht starr: „Es kennt als Strafen nur Geld oder Freiheit.“

Fatina Keilani

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