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Berlin: Jugendlicher in Marzahn fast zu Tode gefoltert

14-Jähriger war seit Dienstag in den Händen seiner Peiniger. Als die Polizei in der Nacht zu Donnerstag kam, lag das gefesselte Opfer in der Badewanne

Die Schreie aus dem vierten Stock drangen durch das ganze Hochhaus. Auch die Nachbarin in der Wohnung darüber hat sie gehört. Doch sie habe sich nichts dabei gedacht, weil es dort „öfter laut zuging“. In der Wohnung habe es ständig „Saufgelage“ gegeben, sagte sie. Es waren die Schreie des 14-jährigen Sandro L. (alle Namen geändert). Seit Dienstag wurde der Jugendliche in der Wohnung in der Rabensteiner Straße in Marzahn von vier Männern festgehalten. Sie quälten ihn und wollten ihn sogar töten.

Sein Leben hat Sandro L. wahrscheinlich einer Bekannten aus der Umgebung zu verdanken. Die 16-Jährige hatte mitbekommen, was in der Wohnung vor sich ging und am Mittwoch gegen 23 Uhr die Polizei alarmiert. Die Beamten durchsuchten die Wohnung und fanden dort den gefesselten Jugendlichen in der Badewanne. Er kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus. Mittlerweile sei sein Zustand einigermaßen stabil, sagte eine Klinik-Sprecherin: „Der Junge war unterkühlt, hatte Prellungen, Stichwunden und innere Verletzungen.“ Ein Ermittler sagte dem Tagesspiegel, dass das Opfer nicht nur geschlagen, sondern auch mit Feuerwerkskörpern am Körper malträtiert worden war. Zudem hätten die Täter dem Jungen Stromstöße versetzt.

Als die Polizei Sandros Peiniger festnahm, waren sie betrunken. Mark S., 18 Jahre und Sozialhilfeempfänger, ist der Mieter der Wohnung, in der Sandro misshandelt wurde. Seit circa eineinhalb Wochen habe Mark zwei Freunde aus Neukölln – den 34-jährigen Thomas G. und Marcel G. – bei sich wohnen lassen. Das berichtete Marks Vater, der ein paar Häuser weiter bei seiner Lebensgefährtin wohnt. Auch ihr Sohn war in der Tatwohnung. Doch ihm konnte nicht nachgewiesen werden, dass er ebenfalls an den Misshandlungen beteiligt gewesen sei, sagte ein Kripo-Beamter. Der Realschüler kam gestern Nachmittag wieder frei. Gegen die anderen drei wurden am Donnerstagabend Haftbefehle erlassen – wegen versuchten Mordes. Der Grund: „Die Täter haben zugegeben, dass sie bereit waren, das Opfer zu töten, um die schweren Körperverletzungen damit zu vertuschen“, sagte ein Ermittler. Alle drei seien schon „mehrfach mit Eigentums- und Gewaltdelikten in Erscheinung getreten“, hieß es bei der Polizei.

Was treibt vier Männer dazu, einen Jungen zu quälen und seinen Tod in Kauf zu nehmen? Die Kripo kann bislang noch kein konkretes Motiv nennen. Es sollen „vorangegangene Streitigkeiten mit dem Opfer“ gewesen sein.

Sandro hat in einer betreuten Jugendhilfeeinrichtung in Marzahn gelebt. Die Polizei sagt, er sei dort bereits mehrfach als vermisst gemeldet worden. Seine Peiniger habe er im „Trinker-Milieu“ kennen gelernt. Das deckt sich mit dem, was Marks Vater sagt: „Die haben alle meist vorm Lidl-Markt gestanden und Bier und Schnaps getrunken.“ Warum sein Sohn und die anderen Sandro misshandelt haben, sei ihm völlig unbegreiflich. Er glaube aber, auch der Alkohol sei schuld.

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