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Jugendlicher Messerstecher: Das Gericht stellte günstige Prognose

Der 17-Jährige Messerstecher bekam eine Bewährungsstrafe ohne Auflagen.

Raub, Diebstahl, Körperverletzung, dann noch eine Messerstecherei – und dafür nur ein Jahr auf Bewährung? Die milde Strafe für den 17-jährigen Erol A. haben viele nicht verstanden. Denn wäre er im September 2006 gleich aus dem Verkehr gezogen worden, so könnte der 23-jährige Darius E. noch leben, der am Dienstag an einem Badesee in Tegel von Erol A. erstochen wurde. Vom mutmaßlichen Täter gab es gestern nichts Neues. Er sitzt in Untersuchungshaft und hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch keine Aussage gemacht.

Die Richterin, die Erol A. im April in zweiter Instanz verurteilte, stellte eine günstige Prognose. Im September 2006 wurde der junge Türke vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt. Er legte Berufung ein, im April 2007 wurde wieder verhandelt. In den Monaten dazwischen hatte sich Erol A. nichts zuschulden kommen lassen. Deshalb verhängte das Gericht nun ein Jahr auf Bewährung. Dass der 17-Jährige bei der Polizei öfter in Erscheinung getreten ist, auch mit Gewalttaten, war dem Gericht nicht bekannt. Und auch Bewährungsauflagen, bei denen ein Verstoß den sofortigen Haftantritt bedeutet hätte – etwa das Verbot, ein Messer mitzuführen – gab es offenbar nicht.

Da Erol A. Türke ist, muss er mit Abschiebung rechnen – aber erst nach seiner zu erwartenden Haftstrafe. Vorher geht es nicht. Ohne Urteil gibt es keinen Abschiebungsgrund, und für eine Abschiebung aus der Strafhaft wäre seine Einwilligung nötig. „Wir würden ja gern öfter abschieben, aber die meisten Gefangenen willigen nicht ein“, sagte Justizsprecherin Barbara Helten. CDU-Innenpolitiker Frank Henkel forderte gestern eine Verschärfung der Gesetze. „Wer sich bei uns nicht benimmt, den kann ich doch nicht erst fragen, ob er gerne in sein Heimatland zurückgeschickt werden möchte“, sagte Henkel. Er sei dafür, bereits nach Verurteilung und schon ab einem Jahr Freiheitsstrafe rigoros auszuweisen und abzuschieben. Das kann aber den Effekt haben, dass sich Täter auf diese Weise einer Bestrafung entziehen, weil sie sich ausrechnen, dass sie in der Türkei früher aus dem Knast kommen.

„Manche wollen freiwillig weg, aber der Staatsanwalt stellt sich quer“, sagt der grüne Innenpolitiker Volker Ratzmann: „Besonders bei langen Strafen will man die hier auch brummen sehen.“ Nach Verbüßung der Haft fliege der Täter ohnehin raus – das sei auch jetzt schon gängige Praxis. Viele beschäftigen Anwälte, um sich mit langwierigen Verfahren gegen den Rauswurf zu wehren.Fatina Keilani

Fatina Keilani

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