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Jung, kreativ, international: Start-up-Boom in Berlin

Berlin erlebt seit einigen Jahren einen Start-up-Boom – für viele Branchenkenner ist die Hauptstadt schon das Silicon Valley Europas.

Seit kurzem herrscht ein Hype um Berlin als Silicon Valley Europas – ausgelöst durch die Erfolge von Firmen wie Zalando, eDarling, DailyDeal, Brands4Friends und ResearchGate. Aber die Ablösung Londons als Hochburg der Start-ups kam nicht über Nacht. Sie ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung, an dessen Anfang der Verkauf von Alando steht. 1999 machte Ebay Schlagzeilen mit dem Erwerb des Online-Auktionshauses, das die Samwer-Brüder in Berlin gegründet haben. 43 Millionen US-Dollar bekamen Marc, Oliver und Alexander Samwer damals für Alando und machten sich auf zu neuen Web-Ufern. Mindestens 25 Firmen haben sie seither (mit-)gegründet und verkauft, womit sie zu den bekanntesten deutschen Internetgründern und -investoren zählen.

Währenddessen wurde Alando in das Ebay-Imperium integriert und floriert als Ebay Deutschland in Dreilinden vor den Toren Berlins. Nicht nur die drei Brüder haben das Ebay-Sprungbrett genutzt, auch andere ehemalige Mitarbeiter haben sich zwischenzeitlich auf eigene Füße gestellt. Ihre Zeit beim Online-Auktionshaus haben sie zum Lernen und Vernetzen genutzt. „Ebay gehört zu den drei, vier relevanten Firmen, die internationale Magnete für Berlin sind“, sagt Christian Weiß, Geschäftsführer von Rocket Internet, einem Inkubator, der Kreativen und Gründern hilft, ihre Internetideen zu realisieren. „Noch vor zehn Jahren, zu Zeiten der New Economy, lagen München, Hamburg, Köln und Berlin etwa gleichauf, aber in den letzten vier bis fünf Jahren hat sich alles auf Berlin konzentriert. Ursprünglich war diese Entwicklung zufällig, aber jetzt ist sie zur Strategie geworden.“

Das habe in erster Linie mit der Kostenstruktur der Stadt zu tun: Lebenshaltungskosten und Büromieten sind günstig, gute Mitarbeiter bezahlbar. Die Stadt ist außerdem mit ihrem Szeneleben am Puls der Zeit, zieht junge Trendsetter aus aller Welt an. Wie es der niederländische Blogger Ernst-Jan Pfauth schon 2008 sagte: „Berlin ist eine rockende Start-up-Stadt. Dafür gibt es vier Gründe: 1. billige Büros, 2. man findet Inspiration auf der Straße, 3. internationale Anziehungskraft, 4. eine lebendige Web Community. Wer Lust auf kreative, gute Zeiten hat, während er an seinem Start-up arbeitet, geht nach Berlin. Wer kann mir ein Zimmer leihen für ein oder drei Monate?“

Das müssen sich auch Alexander Ljung und Eric Wahlforss gedacht haben, als sie sich im Sommer 2007 von Stockholm nach Berlin aufmachten, um SoundCloud zu gründen. Die Audioplattform machte nur Monate nach ihrem Launch als „Youtube für die Audioszene“ MySpace Konkurrenz und zählte Mitte 2010 über eine Million und ein Jahr später über fünf Millionen Abonnenten. Der Erfolg zieht Investoren aus London und den USA an. Damit hat SoundCloud die Chance, als erstes Berliner Start-up ein Welterfolg zu werden. „Berlin ist noch nicht so weit, dass hier globale Trends geboren werden“, meint Christian Weiß. „Kritiker sprechen gerne noch von den Klonen aus Berlin. Die Innovation liegt meist ,nur‘ in der Umsetzung.“ Der Standortvorteil sei, dass sich hier Muttersprachler aus aller Welt versammeln und man in der Tat von Berlin aus die ganze Welt bedienen könne – egal ob auf Russisch, Chinesisch, Spanisch, Englisch oder Arabisch.

Als Trends unter den Berliner Gründern lassen sich daher momentan immer noch viele Businessmodelle ausmachen, die sich bereits anderswo etabliert haben – von Crowdfunding bis Zimmervermittlung. So ist etwa nach E-Commerce Abo-Commerce angesagt, wie der Branchenblog „Deutsche Start-ups“ analysiert. Spätestens seit Glossybox, dem Abo-Shop für Kosmetikprodukte, sei das Prinzip den deutschen Usern bekannt und könne sich für Händler als sehr lukrativ entpuppen – vorausgesetzt man besetzt die richtige Nische. Ein anderes Trendthema sind Apps jenseits der Spieleszene. „Wir stehen erst ganz am Anfang“, urteilt der Branchenblog. Dagegen sei der Markt für Onlinespiele langsam gesättigt. Das hindert den Berliner Spieleentwickler Wooga aber nicht daran, weiterzuwachsen und sich mit seinem ersten Mobilspiel „Magic Land Island“ ins Gespräch zu bringen – womit das Unternehmen langfristig auf Spiele für Smartphones und Tablets setzt.

Immer und überall sein persönliches Radioprogramm hören zu können, das ist Aupeo. Zwar ist Internetradio nichts Neues; aber die Möglichkeit, sich von der eigenen Playlist überraschen zu lassen, ist recht innovativ. Möglich macht das ein Algorithmus, den Aupeo mit dem Fraunhofer Institut entwickelt hat. Anhand von Ähnlichkeitskriterien wird ein ganz persönlicher Mix erstellt. Wie für Spiele sind auch hier die neuen mobilen Endgeräte interessant. „Das iPad ist der Gamechanger“, sagt Aupeo-Geschäftsführer Holger Weiss und fügt hinzu, dass sich in den nächsten zwölf bis 18 Monaten viele Start-ups mit der nächsten Generation Social Media befassen werden. Egal ob Spiele, Musik oder Social Shopping: Ideen, die auf Plattformen wie Facebook aufgesetzt werden, stehen hoch im Kurs – auch bei Investoren. „Berlin ist als Künstlermetropole für Start-ups ein gutes Pflaster, weil sich hier auch ein Tech-Ökosystem etabliert hat, das sehr kreativ ist und wo sich Gründer gegenseitig befruchten. Aber das heißt nicht, dass alle erfolgreich sein werden.“

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