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Berlin: „Junge Spermien drehen sich im Kreis“

Die Pille für den Mann kommt erst 2007 – weil der Mann so kompliziert ist

Frau Habenicht, bei Schering wird unter Ihrer Aufsicht schon lange an der Pille für den Mann geforscht. Wann gibt es sie?

2007 oder 2008. Und es wird keine Pille sein. Der Mann bekommt dann ein Implantat in den Arm und eine Spritze in den Po. Zurzeit hält sie acht Wochen, wir wollen auf zehn bis zwölf hinaus.

Da kriegt also ein Mann eine Spritze in den Po. Was ist dann da drin?

Ein Testosteron-Präparat.

Wie kann das Männlichkeitshormon schlechthin Männer unfruchtbar machen?

Das ist wie bei der Pille. Die funktioniert ja auch über die Gabe von Hormonen, die grundsätzlich die Fruchtbarkeit regeln – und sie, anders eingesetzt, eben auch herabsetzen können. Testosteron ist aber für vieles im Körper wichtig, nicht nur für die Spermienproduktion. Das Gehirn misst ständig, wie viel da ist. Ist zu wenig da, lässt es Testosteron nachbilden, ist zu viel da, wird die Testosteron-Bildung gedrosselt. Für die Spermienbildung wird am meisten Testosteron gebraucht …

… der Trick ist also …

… so viel von außen zuzugeben, dass der Körper mit der eigenen Produktion aufhört und somit auch mit der von Spermien, andere Funktionen aber stabil bleiben. Es ist sehr kompliziert, die männliche Fruchtbarkeit zu beeinflussen.

Was ist denn am Mann komplizierter als an der Frau?

Bei der Frau ist es relativ einfach, den Zyklus zu kontrollieren. Sie kommt schon mit einer bestimmten Anzahl Eizellen auf die Welt. Die reifen dann nur noch. Ein bis zwei im Monat – nicht viel für ein Kontrazeptivum. Aber der Mann ist wie eine lebenslange Fabrik, jeden Tag produziert er massenweise Vorläuferzellen, aus denen Spermien werden. Allein in einem Ejakulat finden sich bis zu 100 Millionen. Und es dauert 70 Tage, bis aus einer Vorläuferzelle ein Spermium geworden ist. Deshalb liegen sie auch noch in verschiedenen Reifegraden vor. Das ist ein hochkomplexer Prozess, in den wir da eingreifen müssen. In den letzten Jahren haben wir viel über Spermien gelernt.

Spermien zappeln sich durch bis zum Ei. Wo sind die Neuigkeiten?

Zum Beispiel wussten wir nicht, dass junge Spermien frisch aus der Produktion noch gar nicht geradeaus schwimmen. Das lernen sie erst in den Nebenhoden, wo sie reifen. Wenn Sie so ein ungereiftes Spermium hier auf den Tisch legen, würde es sich im Kreis drehen. Und wie es sich an ein Ei bindet, wüsste es auch noch nicht, da könnten Sie es dem Ei auf den Bauch packen. Es wäre für uns also viel einfacher, fertige Spermien an der Reife zu hindern, als Millionen zu blockieren, die in diversen Reifegraden vorliegen. Das ist unser Ansatz für eine verbesserte Version. Wir suchen nach Botenstoffen und Rezeptoren, die das beeinflussen. Das Spermium soll gar nicht erst lernen, geradeaus zu schwimmen oder sich an ein Ei zu binden. Wie gesagt, die Spritze ist ein Erstling.

Das hört sich an, als sei nach der verbesserten Version eine noch bessere geplant?

Unsere Lieblingsidee basiert auf einer sehr erstaunlichen Beobachtung. Das Spermium ist nämlich auch nach der Reifung in den Nebenhoden noch nicht ganz „fruchtbar“. Die letzte Phase der Reifung passiert erst im weiblichen Körper! Was für eine Geschichte: Ohne Frau ist der Mann buchstäblich infertil. Wir wissen heute noch nicht, wie dieser Aktivierungsprozess im Einzelnen reguliert wird. Aber biochemisch passiert da eine Menge mit den Spermien, und zwar ganz oben im Eileiter. Es wäre also denkbar, die Spermien-Blockade erst dort stattfinden zu lassen. Das bedeutet, dass sich Paare einmal ernsthaft fragen werden: Nimmst du heute die Pille – oder ich?

Das Gespräch führte C.-F. Röhrs

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