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Berlin: Junge Union ernennt Che Guevara zum Ehrenmitglied

Die Reinickendorfer JU hat die Qualitäten des linken Rebellen entdeckt und ruft zur Revolution: Mit Postkarten und Kartoffelchips kämpfen sie für mehr Ausbildungsplätze

Mit einem toten Revolutionär kann man es ja machen. Zuerst war es die Textilindustrie, die Che Guevaras Konterfei auf T-Shirts gedruckt hat, als Modegag. Bis man dann gemerkt hat, dass Jesus-Motive sich noch besser verkaufen lassen. Jetzt hat die Junge Union (JU) Reinickendorf den „provokant-revolutionären Che-Look“ (so steht es im Newsletter der JU) entdeckt und Guevara kurzerhand zu ihrem Ehrenmitglied ernannt. „Würde Che noch leben, er wäre ganz bestimmt bei uns eingetreten“, sagt Johannes Eydinger aus dem JU-Vorstand. Das kann er doch nicht ernst meinen. Ein Politgag, oder?

Ein bisschen Satire sei schon dabei, sagt Eydinger. Aber es gebe tatsächlich eine Menge Punkte in denen die Junge Union mit Guevara „total einer Meinung“ sei. Wie Che sich für eine bessere Sozialpolitik eingesetzt und das Regime gestürzt habe, das sei schon eine gute Sache gewesen. Was dann in Kuba daraus gemacht wurde – nun gut, das stehe auf einem anderen Blatt. Aber eine revolutionäre Persönlichkeit wie Che Guevara, die könne Deutschland beim bevorstehenden Umbau der Sozialsysteme gut vertragen. Eine junge Kämpfernatur eben, weil die jetzige Politikergeneration es nicht bringe.

Auf Postkarten und T-Shirts hebt Guevara also nun seine linke Faust für die jungen Konservativen aus Reinickendorf und ruft in ihrem Namen zur Revolution. Aber keine Angst, bolivianische Verhältnisse müssen wir in Berlin wohl erstmal nicht befürchten. Denn die revolutionären Ziele der JU sind dann doch weniger rebellisch als Ches Kämpfermiene es vermuten lässt: Finger weg vom Bildungshaushalt, mehr Ausbildungsplätze und ein geeintes Europa. Und Revolution machen die jungen Wilden aus Reinickendorf nicht mit Waffengewalt, sondern mit Kartoffelchips. Die verteilen sie an Schulen des Bezirks zusammen mit den Che-Postkarten. Chips – das Opium fürs junge Volk.

Die Reinickendorfer Parteifreunde von Johannes Eydinger finden die Che-Kampagne offenbar prima. Es habe nur positive Reaktionen gegeben, sagt er. Auch von den älteren Mitgliedern. Ansonsten hat in der Berliner CDU kaum einer mitbekommen, dass der Nachwuchs einen linken Revolutionär zum Ehrenmitglied ihrer Organisation erklärt hat. Auch Matthias Wambach, Sprecher der Berliner CDU, war ahnungslos. „Na ja, die Junge Union ist für unkonventionelle Aktionen bekannt“, sagt er. Auch wenn man sich über das Geschichtsbild von Che Guevara sicherlich noch einmal sachlich mit den jungen Leuten unterhalten müsse.

Die wirklich linken Gruppierungen in Berlin jedenfalls sind ziemlich verwundert über die revolutionären Ambitionen der JU. „Wir sind uns noch nicht sicher, ob die JU tatsächlich weiß, wer Che war und wofür er politisch stand“, heißt es etwa bei der Neuen Linken Gruppe. Doch wenn es der Jungen Union Ernst mit der Revolution sei, schreibt die linke Organisation in einem nicht ganz so ernsten offenen Brief, dann sei das ein Grund zu feiern. Und so lädt die Gruppe die Nachwuchs-Revolutionäre aus Reinickendorf zu einer Party am 1. Januar 2004 ein. Auf der könne man dann gemeinsam den 45. Jahrestag der sozialistischen Revolution in Kuba feiern.

Keine schlechte Idee. Alle würde dann T-Shirts mit Ches Konterfei tragen und Kartoffelchips essen, die die JU-ler mitgebracht haben. Revolutionen können so schön sein, wenn es keine Gegner mehr gibt.

Dagmar Rosenfeld

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