zum Hauptinhalt
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist schon immer umstritten. Nachdem bekannt geworden ist, dass auch Berliner Behörden bei der Verbrecherjagd umfangreiche Handyverbindungsdaten ausgewertet hat, kommt die Debatte wieder in Schwung.

© dapd

Justiz: Behörden führten mehr Handykontrollen durch als bekannt

Die Ermittlungsbehörden haben in weit größerem Ausmaß flächendeckend Handyverbindungsdaten bei der Strafverfolgung ausgewertet als bislang bekannt. Und das nicht nur in Berlin.

In Berlin hat die Polizei, wie am Donnerstag bekannt geworden, bei der Fahndung nach Autobrandstiftern systematisch alle Handyverbindungsdaten für bestimmte Viertel und Zeiträume abgefragt, in denen Taten gemeldet wurden. Auch für andere schwere Straftaten nutzen die Ermittler Auswertungen in großem Umfang.

In anderen Bundesländern geht die Polizei ebenfalls mithilfe der Handynetzbetreiber auf Verbrecherjagd. In Brandenburg werde die Möglichkeit etwa 50-mal pro Jahr genutzt, sagte ein Sprecher des Potsdamer Innenministeriums. Es gehe dabei „ausschließlich um schwerste Kriminalität“. In etwa zwei Dritteln der Fälle gehe es um Tötungsdelikte, der Rest betreffe Raubüberfälle und Bandenkriminalität. Die Datenabfrage erfolge „streng nach Recht und Gesetz“. Außerdem lässt sich die Brandenburger Polizei nach Auskunft des Innenministeriums etwa 200- bis 300-mal pro Jahr die „Verkehrsdaten“ der Netzbetreiber zur Gefahrenabwehr geben. Dazu gehöre die Suche nach suizidgefährdeten oder vermissten Personen. Diese Praxis sei seit 2006 im Polizeigesetz verankert und werde immer wieder neu befristet sowie laufend evaluiert.

In Berlin verteidigte Innensenator Frank Henkel (CDU) die seit Jahren übliche Praxis, die allerdings bislang nur Eingeweihten bekannt war. „Schwere Straftaten müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden“, sagte er dem Tagesspiegel. „Solche Maßnahmen unterliegen engen gesetzlichen Vorgaben und erfolgen nach einem richterlichen Beschluss.“ Skeptischer äußerte sich die SPD. Deren Rechtspolitiker Sven Kohlmeier sagte, bei einem solchen Eingriff in die Grundrechte nicht betroffener Bürger müsse es eine gründliche Abwägung geben. Er wolle nun zunächst abwarten, welche Dimension die Auswertungen insgesamt hätten. Zum genauen Umfang der Handykontrollen verweigern Justiz und Polizei in Berlin bislang detaillierte Auskünfte. Am Montag wird das Thema im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses behandelt.

Scharfe Kritik kommt von der Opposition. Die Piratenpartei lehnt es ab, mit Handydaten nach Brandstiftern zu fahnden. Marion Seelig von der Linkspartei hält dies ebenfalls für nicht verhältnismäßig. Sie betrachtet im Nachhinein das Vertrauensverhältnis zum ehemaligen Koalitionspartner SPD als gestört. Der frühere Innensenator Ehrhart Körting (SPD) habe seinen Einsatz für die Vorratsdatenspeicherung stets mit schwersten Straftaten und Terrorismusabwehr begründet. Nun stelle sich heraus, dass die Ermittlungsbehörden „weit über das Ziel hinausgeschossen“ seien.

Zur Startseite