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Justiz: Mord-Ankläger jagt künftig Politstraftäter

Zwei bekannte Berliner Oberstaatsanwälte tauschen ihre Posten. Beide Rechtsexperten haben in früheren, teils umstrittenen Prozessen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt.

Von Frank Jansen

In der oberen Etage der Staatsanwaltschaft wird rotiert. Am 1. Februar vollzieht sich eine Rochade, die zwei der bekanntesten Ankläger des Landes Berlin betrifft. Der Leiter der für Kapitalverbrechen, vor allem Mordfälle, zuständigen Abteilung, Oberstaatsanwalt Ralph Knispel, tauscht seinen Posten mit dem gleichrangigen Michael von Hagen. Er ist der Chef der Abteilung, die sich mit politisch motivierten Straftaten jenseits von Mord und Totschlag auseinandersetzt. Knispel, der mehrere spektakuläre Verfahren bearbeitet hat, war zuletzt nach den Krawallen am 1. Mai 2009 in Kreuzberg häufig in den Schlagzeilen präsent.

Er vertrat die Anklage im Prozess gegen Yunus K. und Rigo B., die für den Wurf einer Brandflasche verantwortlich sein sollten. Knispel warf den jungen Männern versuchten Mord vor, doch nach einer turbulenten Hauptverhandlung sprach das Landgericht die beiden vor einem Jahr frei. Knispel wurde während des Prozesses von den Verteidigern und einem Teil der Medien hart kritisiert.

Die Attacken seien aber keinesfalls der Grund für die Entscheidung des Leitenden Oberstaatsanwalts Andreas Behm, Knispel auf einen anderen Posten zu setzen, heißt es einhellig in Justizkreisen. Vielmehr werfe man sich vor, Knispel damals nicht genug gegen die Kritik in Schutz genommen zu haben. Verwiesen wird zudem auf den Karrieresprung eines anderen Oberstaatsanwalts, der ebenfalls mit einem problematischen und aufsehenerregenden Verfahren zu tun hatte.

Thomas Schwarz führte bis zum vergangenen Jahr die Abteilung, die sich mit Brandanschlägen befasst. Die Anklage gegen die mögliche Autozündlerin Alexandra R. hatte in zwei Prozessen keinen Erfolg, die junge Linke wurde beide Male freigesprochen. Dennoch konnte Schwarz zum Hauptabteilungsleiter aufsteigen, zuständig für Ermittlungen im Bereich Wirtschaftskriminalität. Unterdessen steht Alexandra R. ein dritter Prozess bevor, weil das Kammergericht im November 2010 den Freispruch des Landgerichts aufhob.

Als Grund für den Wechsel Knispels wird in der Justizverwaltung die „übliche Rotation“ nach fünf Jahren Amtszeit genannt. Knispel leitet die Abteilung für Kapitalverbrechen seit vier Jahren offiziell. Zuvor hatte er sie bereits ein Jahr vertretungsweise geführt. Der designierte Nachfolger, Michael von Hagen, hat die Leitung seiner bisherigen Abteilung allerdings im September 2008 übernommen.

Von Hagen setzte einen neuen Maßstab in der Verfolgung rechtsextremer Kriminalität. Es gelang seiner Abteilung, erstmals in Deutschland ein Urteil zu erreichen, in dem die Betreiber eines braunen Internetradios als kriminelle Vereinigung eingestuft werden. Das Landgericht verhängte im November 2009 Haftstrafen gegen die rechtsextreme Gruppe, die über das „European Brotherhood Radio“ gegen Juden und Migranten gehetzt und das NS-Regime glorifiziert hatte.

Fraglich bleibt bei der Rochade, die Knispel und von Hagen nun vor sich haben, welchen fachlichen Nutzen die Staatsanwaltschaft davon hat. Beide Oberstaatsanwälte sind mit ihrer bisherigen Materie vertraut, von Februar an müssen sie sich in andere Themen einarbeiten. In der Justizverwaltung heißt es lapidar, fachlich seien keinerlei Beeinträchtigungen zu erwarten.

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