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Berlin: Justiz verbietet Knast-Zeitung in Tegel

Vorwurf: Inhalt strafbar / Gefangene sind wütend

Die Berliner Justizverwaltung hat die aktuelle Ausgabe der Gefangenenzeitung „Lichtblick“ aus der JVA Tegel verboten. Der Vorwurf: In der 44-seitigen Ausgabe 1 diesen Jahres seien mehrere Texte strafbaren Inhalts abgedruckt. Dies bestätigte eine Justizsprecherin auf Anfrage, nähere Angaben machte sie nicht. In dem zweieinhalbseitigen Verbotsschreiben des Tegeler Anstaltsleiters Lange-Lehngut, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es unter anderem: „Die Anzahl der Texte ist so groß, dass mildere Maßnahmen – etwa das Schwärzen einzelner Sätze – nicht ausreichen, sondern die gesamte Ausgabe angehalten werden muss.“ Der Chef des größten deutschen Männergefängnisses stößt sich vor allem an diesem Satz des Lichtblicks: „Im Haus 1 wurden Gefangene von Justizbeamten verprügelt.“ Diese Behauptung sei bis zum Beweis ihrer Richtigkeit falsch, argumentiert Lange-Lehngut. Er hat Strafanzeige gegen die Autoren gestellt.

Das Klima in der Haftanstalt hat sich durch die „Zensur“ spürbar verschlechtert. Beschrieben sind in den Artikeln Vorfälle von Anfang Dezember: Wie berichtet, soll im Dezember Mehmet E. von mehreren Justizangestellten verprügelt worden sein, weil er aus Ärger über einen gestörten Fernsehempfang gegen die Zellentür hämmerte. Zeugen gibt es dafür nicht – die Polizei hatte damals bestätigt, dass E. fünf Justizangestellte angezeigt habe –, doch der Fall machte die Runde unter den 1700 Insassen. Es wird spekuliert, ob Mehmet E. aus Rache oder Frust misshandelt wurde.

Einen Tag zuvor war es nach Jahren erstmals wieder zu einer „Revolte“ in Tegel gekommen. 29 Gefangene hatten sich nach dem Hofgang geweigert, in die Zellen zurückzukehren – erst nach einer Stunde war es den Wärtern gelungen, die Situation zu entschärfen. Als „Rädelsführer“ hat Rainer Sch. nach eigenen Angaben schon seit drei Monaten die Folgen zu tragen – Absonderung von seinen Mithäftlingen und verschärfte Haftbedingungen. Sch. betonte, dass schlechtes Essen und gestörter TV-Empfang zwar der Auslöser für den Protest an diesem Tag waren, es den Gefangenen aber vor allem um die schlechten Resozialisierungschancen und die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten gehe. Zudem gebe es kaum noch Entlassungen nach zwei Dritteln der Strafzeit. Das Verbot kommentiert Sch.: „Das Unrecht soll nicht nach draußen.“

Auf der Internetseite des Fördervereins des Lichtblicks heißt es lediglich: „Die Ausgabe 1/06 hat Probleme“ und sei deshalb nicht online gestellt oder verteilt worden. Der Lichtblick erscheint sechsmal im Jahr mit einer Auflage von 5500 Exemplaren und wird von Gefangenen produziert; die Redakteure tragen laut Statut die Verantwortung für den Inhalt – wenn ihnen die nicht durch den Anstaltsleiter durch ein Verbot abgenommen wird.

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