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Justizvollzug: Baustelle im Bau

Das Gefängnis Tegel wird modernisiert, um Langzeitgefangene angemessen unterzubringen - wofür die Justiz allerdings Jahre gebraucht hat. Ein Besuch.

Schwere Tore schieben sich auf, uniformierte Wachen sammeln die Personalausweise der Besucher ein, beim zügigen Gang über den kameraüberwachten Hof lächeln die Gefangenen, die vor der knasteigenen Werkstatt rauchen, den seltenen Besuch an.

Am Donnerstag hat die Berliner Justizverwaltung zu einer Pressebesichtigung der Justizvollzuganstalt (JVA) in Tegel geladen, mit 1300 Männern ist es eines der größten Gefängnisse des Landes. Anlass war ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 2011 in Karlsruhe: Sicherungsverwahrten müsse das Leben ein wenig angenehmer gemacht werden als anderen Gefangenen, denn sie sitzen keine Strafe ab, sondern wegen ungünstiger Rückfallprognosen eine Art von Prävention.

Zwei Jahre hatten die Justizbehörden dafür Zeit, die Verwaltung unter Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) wollte nach Ablauf dieser Frist nun zeigen, man habe sich bemüht: Zwei Zellen für die Verwahrten statt einer, mehr Besuch, selber Kochen, gern in Gruppen. Doch die kleinen Annehmlichkeiten reichen wohl nicht, davon sind nicht nur die Betroffenen überzeugt. Freundlich, aber energisch beschwert sich Christian T., seit fast 30 Jahren Gefangener: „Wir werden um 21 Uhr 30 eingeschlossen – in eine Zelle!“ Da nütze der zweite Raum, der erst am nächsten Morgen erreichbar sei, wenig. T. klagt gegen die Unterbringung, notfalls bis zum Verfassungsgericht.

Ob die Unterbringung seit dem Urteil von 2011 durch alle Instanzen als angemessen gilt, kann auch die Berliner Justiz nicht wissen. Und so errichtet der Senat auf dem Gelände in Tegel derzeit für 15 Millionen Euro einen Neubau: für Wohngruppen mit mehr Platz und noch mehr Licht durch größere Fenster – wenn auch welche mit Panzerglas. Auf der Etage, auf der Christian T. seit Jahren lebt, ist es trotz Sonnenscheins dunkel, die Fenster sind klein, es riecht nach abgestandener Luft, Wandfarbe und Möbel sind alt. Und auch mit zwei statt einer Zelle kommen die Gefangenen kaum auf jene 20 Quadratmeter, die ein Gericht als für Sicherungsverwahrte angemessenen Platz bezeichnet hat.

Der Neubau ist zwar entsprechend konzipiert worden – doch warum wird er erst im Frühjahr 2014 fertig? „Wir konnten nicht früher bauen, die Frist aus Karlsruhe war zu kurz“, sagt Hermann Josef Pohlmann von der Stadtentwicklungsverwaltung. „Wir dürfen das Vergaberecht nicht umgehen.“ Sprich: Bauaufträge müssen ausgeschrieben, Genehmigungsfristen eingehalten werden. Und man habe schon einiges getan, damit es überhaupt schneller als sonst bei Großbauten üblich vorangehe. So hat der Neubau keinen Keller, viele Pläne wurden parallel gemacht.

Aufwendig ist der Bau auf dem JVA-Gelände ohnehin schon: Der Kran muss so klein sein, dass sein Ausleger aus Sicherheitsgründen nicht über andere Gefängnisbauten schwenkt. Alle Fertigteile müssen klein genug sein, dass sie durch Sicherheitsschleusen in der Tegeler Toreinfahrt geliefert werden konnten.

Die Gefangenen interessiert das weniger: Sie weisen darauf hin, dass der Senat schon 2009 Hinweise hatte, dass die in Deutschland praktizierte Sicherungsverwahrung kaum haltbar ist. Damals hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die deutsche Justiz gerügt. Das Land habe seit 2011, ohnehin aber seit 2009 zu wenig getan, um die Unterbringung angemessen zu verbessern, sagte Sebastian Scharmer. Der Berliner Anwalt vertritt Sicherungsverwahrte und hatte 2011 in Karlsruhe geklagt.

Laut Justiz sind insgesamt 40 Sexual- oder Gewaltstraftäter für eine Sicherungsverwahrung im Neubau vorgemerkt, 60 hätten Platz. Die Justiz beteuert, die Therapieangebote seien besser, das sogenannte Abstandsgebot zur Strafhaft halte man ein. Doch in der Behörde weiß man auch: Ob die Maßnahmen als menschenwürdig Bestand haben, werden wieder Richter entscheiden.

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