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Berlin: Juter Junge statt töfte Kooten

Nachhilfe für Neuberliner: Bundestagsabgeordnete bekommen Berlin-Duden

Mit Rechtschreibung kennt Monika Grütters sich aus. In Bonn arbeitete die promovierte Literatur- und Kunsthistorikerin einst nebenbei als Korrekturleserin für Parlamentsdrucksachen. Auch heute noch gehören die Feinheiten der Trennungsregeln zu ihren Steckenpferden.

Am Montag fand die Berliner CDU- Bundestagsabgeordnete – ebenso wie ihre 613 Kolleginnen und Kollegen – einen Sprachführer in ihrem Postfach, von dem sogar Profis wie Grütters noch etwas lernen können: Den Berlin-Duden des Tagesspiegels. Der enthält neben 47 000 Stichwörtern einen Sonderteil mit 2000 Berliner Wörtern und Redewendungen – darunter viele, die auch der Germanistin Grütters neu sind. Das hat einen simplen biografischen Grund: Geboren und aufgewachsen in Münster, liegt Frau Grütters nun mal die dortige Mundart namens Masematte wesentlich näher als das Berlinische, wie sie sagt. Masematte ist eine Mischung aus Jiddisch und Plattdeutsch und klingt für hochdeutsche Ohren ähnlich schillernd wie die Berliner Mundart: Töfte Kooten heißt in Münster der gute Junge, und wenn es regnet, dann meimelt dat. Dank des gemeinsamen jiddischen Ursprungs gibt es allerdings auch Überschneidungen zwischen Masematte und Berlinischem, sagt Grütters. So steht schofel hier wie dort für schäbig oder niederträchtig. Auch plagt man sich in Münster wie in Berlin mit der Mischpoke.

Als sie vor 16 Jahren nach Berlin kam, machte Monika Grütters all jene Anfängerfehler, die ihren aus anderen Landesteilen zugezogenen Bundestagskollegen nun dank des Berlin-Dudens erspart bleiben mögen. Sie bestellte beim Bäcker einen Berliner statt eines Pfannkuchens – und bekam erwartungsgemäß zu hören: „Wolln Sie mir aufessen?“ Inzwischen hat die Kulturpolitikerin sich an die Berliner Mundart gewöhnt, manchmal rutscht ihr inzwischen gar ein berlinisches Ooch heraus, die Schrippe gehört eh zur Grundausstattung.

Einige Redewendungen hat Grütters sogar richtig lieb gewonnen. Meene Kleene findet sie lautmalerisch besonders gelungen, auch gegen Ick hat sie nichts mehr. Nur wenn der Berliner, der ein Buch auf dem Tisch liegen hat, meint, er habe das Buch auf dem Tisch zu liegen, dann schüttelt sich Monika Grütters angesichts von so viel Ignoranz gegenüber hochdeutschen Sprachregeln.

Das mit dem Berlin-Duden findet Grütters eine gute Nachhilfe für sich und ihre Kollegen. Und sollte jemand den frisch gewählten Bundestagsabgeordneten künftig fehlende Volksnähe vorwerfen, dann liegt das zumindest nicht an Verständigungsproblemen mit der Bevölkerung rund um den Bundestag. lvt

„Deutsches Wörterbuch. Sonderausgabe Berlin“, erstellt von der Duden-Redaktion in Zusammenarbeit mit Brigitte Grunert/Tagesspiegel, 512 Seiten, 11 Euro

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