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Gerhard Plambeck (links) leitet die Kältezentrale von Vattenfall in der Stresemannstraße. Neben ihm steht Fernwärme-Vorstand Gunther Müller.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kältezentrale von Vattenfall: Wo die kühle Luft für Berliner Läden und Büros herkommt

Selbst bei der größten Hitze ist es angenehm kühl in vielen Läden, Büros und Museen in der City – dank der Kältezentrale am Potsdamer Platz. Zu Besuch bei den größten Kühlschränken von Berlin.

An diesem Freitag wird mancher freiwillig länger im Büro bleiben. Oder ausgiebig shoppen, also in viel Zeit wenig kaufen. Auch die Museen dürften voll sein, weil in klimatisierten Gebäuden erträgliche Temperaturen herrschen, während es draußen schwülheiß ist wie selten.

Der größte Kühlschrank der Stadt befindet sich zwischen dem Abgeordnetenhaus und dem neuen Bundesumweltministerium an der Stresemannstraße: die Kältezentrale von Vattenfall, die sämtliche Gebäude um den Potsdamer Platz – inklusive Bahn-Tower, Arkaden und Beisheim-Center, Kanadische Botschaft, Finanz- und Umweltministerium, Mall of Berlin, Topografie des Terrors, Abgeordnetenhaus, Martin-Gropius-Bau und neuerdings auch Philharmonie, Kulturforum und Staatsbibliothek – erfrischt. Das Gebäude mit der sandfarbenen Bauhausfassade ist in diesen Tagen eines der wichtigsten der Stadt. Rund eine Million Quadratmeter Fläche werden von hier aus gekühlt; ein ganzer Quadratkilometer.

Von der Straße führt eine Milchglastür ins Treppenhaus und von dort Stahltüren in die Anlage. In den unteren Etagen stehen die Kältemaschinen, die so groß sind wie Lastwagen. Dazwischen verlaufen Rohre, durch die man mühelos kriechen könnte. Im Keller befindet sich ein Brunnen, aus dem im vergangenen Jahr 152 Millionen Liter Grundwasser gefördert wurden – worüber Nachbarn wie der Bundesrat mit seinem feuchten Keller froh sind. Und hinter der Lamellenfassade im Dachgeschoss rauscht ein gigantischer Sommerregen. Hier, wo das Wasser verdunstet, wird die überschüssige Energie – also die Hitze – aus den Gebäuden der City herausgeholt.

Die Anlage funktioniert wie ein riesiger Kühlschrank

Im Grunde arbeiten in der Kältezentrale zwei Arten von Kühlschränken: elektrische, wie man sie von zu Hause kennt, und wärmebasierte wie die gasbetriebenen Kühlschränke, die beispielsweise in Wohnmobilen üblich sind. Nur sind sie hier vieltausendfach größer. Der Strom für die eine Variante kommt neuerdings aus dem mit Holzschnitzeln befeuerten Kraftwerk Moabit, ist also öko. Die Hitze für die andere Variante liefert das Heizkraftwerk Mitte, das seine bei der Stromproduktion ohnehin anfallende Fernwärme im Sommer sonst kaum loswerden könnte, weil außer fürs Warmwasser keine Heizleistung gefragt ist. So liefert die Fernwärme die Energie für die Megakühlschränke, deren Funktion im Wesentlichen auf Druck- und Temperaturunterschieden beruht. Hitze, die in den Gebäuden der Kunden aufgenommen wurde, wird hier durch Verdunstung abgegeben. Hausherr Gerhard Plambeck erklärt das Prinzip gern mit dem Bild eines Menschen, der nass aus dem See kommt und im Wind friert, weil die Verdunstung ihm Energie entzieht. Das menschliche Schwitzen dient demselben Zweck.

Abgeholt wird die Wärme, indem 5,5 Grad kaltes Wasser zu den Kunden strömt und sich dort auf bis zu 15 Grad erwärmt. Die Kältezentrale schwitzt die Energie dann unterm Dach wieder aus. An Tagen wie heute zirkulieren oft mehr als fünf Millionen Liter Wasser pro Stunde, während bis zu 120 000 unterm Dach verdunsten. So viel verbraucht ein Durchschnittsberliner in drei Jahren, aber im Hochsommer reicht selbst diese Menge nicht mal für ein Dampfwölkchen über der Kältezentrale.

Im Leitstand schaut nur alle 72 Stunden jemand vorbei

Obwohl Kälteanlagen laut Industrienorm nur die Kühlung bei maximal 32 Grad Außentemperatur bewältigen müssen, habe die Leistung der Zentrale bisher immer gereicht, sagt Plambeck. Um alle neuen Kunden zu versorgen, wurden Ende Juli zwei zusätzliche Kältemaschinen per Kran durch ein eigens dafür in die Wand geschlagenes Loch gehievt.

Auch die anderen Anlagen werden nach und nach erneuert; 18 Jahre Betrieb und das harte Berliner Wasser haben an vielen Stellen Spuren hinterlassen. Aber dass die Klimatisierung plötzlich ausfällt und beispielsweise oben im Glasturm versehentlich der Bahnvorstand gegrillt wird, fürchtet Plambeck nicht: Alle wesentlichen Komponenten sind mehrfach vorhanden.

Der Leitstand ist unbemannt: Ein leerer Schreibtischstuhl vor zwei PCs mit Monitoren, im Rücken ein Regal voll blauer Aktenordner. Laut Vorschrift muss nur alle 72 Stunden jemand vorbeischauen.

44 Millionen Watt Kühlleistung sind inzwischen an die Zentrale angeschlossen, die nach der Wende dank einer weisen Vorgabe der Verwaltung zusammen mit dem neuen Viertel am Potsdamer Platz errichtet werden musste. Hätte ringsum jeder seine eigene, konventionelle Klimaanlage auf dem Dach, würden nach Vattenfall-Berechnung jährlich 11 000 Tonnen Kohlendioxid mehr in die Luft geblasen.

Ein paar mehr Kunden könnte man noch beliefern, sagt Plambeck. Das Limit seien eher die Rohre unter der Straße als die eigene Technik. Darauf, dass die Kälte wirklich zuverlässig kommt, achten schon die Kunden. Als besonders sensibel gelten IT-Zentren und die Philharmoniker.

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