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Berlin: Kämpferisches Ballett

Premiere als Demonstration: Wie das Ensemble der Komischen Oper ums Überleben ringt

Von Lars von Törne

Als Mara Vivas vor zwei Jahren nach Berlin kam, war die junge Frau euphorisch. „Geh nach Deutschland“, hatten die Kollegen am finanziell gebeutelten Madrider Ballett der Tänzerin geraten, „da sieht die Situation besser aus“. Heute kann die 31-jährige Spanierin über ihren Optimismus nur spöttisch lächeln. „Seitdem ich hier bin, höre ich ständig: Diese Oper soll geschlossen werden, jenes Ballett dichtmachen. “ Jetzt droht auch ihrem Ensemble das Aus, dem BerlinBallett an der Komischen Oper. Die geplante Opernreform des Senats sieht den Abbau von 40 Tänzerstellen an den drei Opern der Stadt vor, der neue Intendant der Komischen Oper hat sein Ensemble, wie berichtet, angesichts der Sparzwänge zur Disposition gestellt. Wenn nicht noch etwas Unerwartetes geschieht, müssen sich Mara Vivas und ihre 21 Kollegen im kommenden Jahr nach neuen Stellen umschauen.

Das will Ballettdirektorin Adolphe Binder nicht tatenlos geschehen lassen. Gemeinsam mit den Tänzern kämpft sie für das Überleben ihres Ensembles. „Wenn wir abgewickelt werden, verlieren nicht nur die Künstler ihre Arbeit. Die Stadt verliert ein einzigartiges, modernes Tanz-Ensemble.“

Seit ihrer Gründung vor eineinhalb Jahren hat sich die junge Truppe mit zeitgenössischen Inszenierungen einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Im Gegensatz zum klassisch geprägten Ballett der Staatsoper und gegenüber dem Ballett der Deutschen Oper gilt das BerlinBallett als außergewöhnlich modern und dynamisch. Mit diesem Pfund wollen Binder und ihre Tänzer jetzt wuchern. So wird die Premiere ihre neuen Stücke „Casa“ und „Ela“ am heutigen Sonnabend unversehens zu einer politischen Demonstration. „Wir müssen die Leute mit unserer Kunst davon überzeugen, dass wir unverzichtbar sind“, sagt Adolphe Binder, deren Vorgängerin Blanca Li vor kurzem wegen der unklaren Zukunft das Handtuch geschmissen hatte. Binder hofft nun, dass ihr Ensemble Teil der neuen, Opern-übergreifenden Ballett-GmbH wird, deren Gründung das Sparkonzept des Senats vorsieht.

Sollte dies misslingen, wäre es für viele Tänzer nicht das erste Mal, wieder von vorne anfangen zu müssen. „Das habe ich bereits in Leipzig und bei Johann Kresniks Volksbühnen-Ensemble miterlebt“, erzählt die 34-jährige Angelika Wenzel. Als die Tänzerin zur Komischen Oper kam, hatte sie gehofft, sich endlich mal länger in ein Ensemble einarbeiten zu können. „Als Tänzerin sollte man sich mit seiner Kunst beschäftigen und nicht immer über seine Sicherheit bangen müssen“, sagt sie. „Man kann doch keine künstlerische Linie entwickeln, wenn man immer nur von einem Jahr zum nächsten denkt.“ Ihr Kollege Mario Hernandez hat indessen nichts anderes erwartet, als er vor einem Jahr aus Miami nach Berlin kam. „In den USA haben Tänzer nie längere Sicherheit als für eine Saison“, sagt der 22-jährige Lockenkopf. Das kennt auch Olivio Sarrat aus Frankreich nicht anders. Wenn man ihn in Berlin im nächsten Jahr nicht mehr haben will, sagt der 30-jährige Tänzer, „dann suche ich mir eben woanders auf der Welt einen Job“.

Ähnlich denken viele in dem jungen, aus 15 Nationalitäten zusammengewürfelten Ensemble. Eine feste, dauerhafte Anstellung hat hier bislang kaum einer gehabt. Das ist einer der Gründe, wieso die Tänzer im Gegensatz zu anderen Künstlern eine schlechte Lobby haben. Ein weiterer liegt in der relativ kurzen Karriere, die ein Tänzer hat, bevor er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Ballettgeschäft zurückzieht. „Musiker und Sänger haben ihre Orchestergewerkschaft – eine Tanzgewerkschaft gibt es nicht“, sagt Adolphe Binder. Also kämpft sie eben selbst und der Zuspruch des Publikums scheint ihr Recht zu geben. „Drei Viertel der 1500 Sitze in der Komischen Oper sind ausgebucht, wenn wir auf der Bühne stehen.“ Außerdem sei die Truppe mit einem Jahresbudget von unter zwei Millionen Euro deutlich billiger als alle anderen Opernkünstler und schreibe, nur für sich allein gesehen, schwarze Zahlen. „Wir locken Leute in die Oper, die hier sonst nie reingehen würden.“ Bislang ist die Ballettchefin optimistisch. Sie glaubt, dass ihr Ensemble nicht nur überleben wird, sondern auch gestärkt aus den harten Zeiten hervorgeht. Auf der Opern-Homepage schreibt die Ballett-Chefin: „Phantasie und Kreativität entspringen aus Krisenzeiten.“ Lars von Törne

Premiere von „Ela“ und „Casa“ an der Komischen Oper an diesem Sonnabend. Weitere Vorstellungen unter anderem: 18. und 25. Februar, 1. und 14. März

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