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Berlin: Kaiserslautern - Hertha BSC: Meisterschaft? Egal.

Sonnabendnachmittag, kurz nach drei, bei Holst am Kreuzberg: Die Hertha-Uhr auf dem Regal, zwischen Plüschbären und zwei Bierstiefeln, tickt sich langsam dem Spielbeginn am letzten Bundesliga-Tag entgegen. Genauso langsam tröpfelt die Kundschaft in die Fankneipe.

Sonnabendnachmittag, kurz nach drei, bei Holst am Kreuzberg: Die Hertha-Uhr auf dem Regal, zwischen Plüschbären und zwei Bierstiefeln, tickt sich langsam dem Spielbeginn am letzten Bundesliga-Tag entgegen. Genauso langsam tröpfelt die Kundschaft in die Fankneipe. Derlei Probleme hat Axel Kruse in seiner Kneipe im S-Bahnhof Janowitzbrücke nicht: Wer keinen Platz reserviert hat, geht durch die eine Tür rein und die andere wieder raus.

Doch scheint Holst - im Laufe des Spiels wird es doch noch halbwegs voll - die treueren Hertha-Fans anzuziehen. Während bei Axel Kruse einmal sogar gefordert wird, statt des zeitweise drögen Spiels in Kaiserlautern die Konferenz zu zeigen, würdigen die Holst-Gäste die eingeblendeten Zwischenstände kaum eines Blickes. Für Jürgen ist die Sache klar: "Die Meisterschaft, die interessiert mich erst, wenn Hertha mit dabei ist." Und für die turbulenten Ereignisse auf Schalke hat er nur einen Kommentar übrig: "Hoffentlich spielen wir in der nächsten Saison nicht am letzten Tag gegen Haching."

Rosi, eine der beiden Frauen in der Eckkneipe an der Monumentenstraße, muss in der 24. Minute feststellen, dass sie ihre Küsschen etwas voreilig verteilt hat: Abseits. Auch bei Axel Kruse springen die Menschen auf, um mit versteinerten Mienen Sekunden später auf ihre Plätze zurückzusinken. Ein paar böse Worte gegen den Linienrichter und viel Hoffnung für den Rest der Partie. Als sich abzeichnet, dass Cottbus sich den Klassenerhalt sichern kann, kommt doch etwas Freude auf: "Das ist doch schön, gar nicht weit," sagt einer. Er konnte seine Freunde nicht in die Pfalz begleiten, aber eine Reise in die Lausitz ist in der nächsten Saison auf alle Fälle wieder drin.

Als Alex Alves in der 46. Minute den Führungstreffer für die Berliner landet, schallt es durch die Kneipe: "He-e-e Baby", und die Feigling-Fläschchen klappern auf den Tischen. Dann wird es ruhig - hoffnungsvolle Gedanken in Richtung Leverkusen und einen Platz in der Champions League. Direkt nach Spielschluss erspart Karsten hinterm Tresen seinen Gästen die Ehrung für den ausscheidenden Schiedsrichter Bernd Heynemann.

Als Karsten auf die Konferenz umschaltet, blickt er mit einem Auge auf den Schirm und mit dem anderen auf seinen Oddset-Tippzettel. Da steht es in Hamburg noch 1 : 0, und selbst der fast unglaubliche Ausgleich der Bayern macht ihn nicht glücklich. Zum 2 : 1 wird es nicht mehr kommen, das ist klar. In der Kneipe ist es für einige Sekunden totenstill. Ein Tisch trauert mit den Schalke-Fans. Jürgen freut sich mit den Bayern, sagt etwas von "Erzfeindschaft" und skandiert einen Schmähreim gegen das Team aus dem Revier. Gut, dass er nicht bei Axel Kruse war. Er hätte dem einzigen Bayern-Fan beim Tanz auf dem Tisch Gesellschaft leisten können. Sonst hätte er niemanden gehabt, mit dem er sich hätte freuen können. Die "HSV"-Rufe sind gerade erst verstummt.

Jörg-Peter Rau

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