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Berlin: Kalbssülze mit Blödsinn

Hans-Peter Wodarz präsentiert zum sechsten Mal „Palazzo“  Das Gourmet-Theater im Spiegelzelt feiert heute Premiere am Humboldthafen.

Irgendwo hier muss das Zelt sein. Da ist der Hauptbahnhof, dann kommen endlose Staus und fast ebenso endlose Bauzäune. Da, eine Einfahrt, beleuchtet! Der Verkehr tost, doch wir dringen mit entschlossenem Zickzack im Feldhasenstil durch ... Drin! Chaos ist Programm, wenn „Palazzo“ unter der Aufsicht von Hans-Peter Wodarz wieder seine Berliner Winterrunde eröffnet, aber diesmal, in Saison sechs, kommt es besonders dick – vor der Tür. Drinnen hingegen öffnet sich dem Stammbesucher die vertraute Aura des Spiegelzelts, und es geht um die ebenso vertraute Frage: Wie gut sind Show und Essen diesmal?

Die Show ist, soweit sich das vor dem finalen Feinschliff zur Premiere am heutigen Mittwoch sagen lässt: echt gut. Das liegt zum einen an vielen hochklassigen Artisten, zum anderen an Tim Tyler, der seine Rolle als Mr. P. P., storchbeiniger Zeremonienmeister der Show, überwiegend in kurzen Hosen absolviert. Er beherrscht Belcanto zur Ukulele, eigenartige Geräusche und abgefahrenen Umgang mit Tischtennisbällen, die sich seiner Schnute fügen, als wären sie dafür hergestellt worden.

Durch die Gläser seiner Klugscheißerbrille linst er Mildred Pierce (Corey Shank) hinterher, die als Eigentümerin der Show soeben zum zehnten Mal ihren 29. Geburtstag feiert – eine typische Palazzo-Ausgangskomplikation, an die sich zwanglos allerhand heiterer Blödsinn anhängen lässt, und der wird ganz überwiegend hell und schnell dargeboten, umrahmt von einer guten polnischen Band, die sich nicht nach vorn drängt, sondern vor allem die Musical-gestählte Sängerin Elisabeth Markstein unterstützt.

Aus der Konstruktion des Zelts ergibt sich unweigerlich, dass nur Artisten mit wenig Platzbedarf in Betracht kommen. Es sind neue Nummern, neue Künstler dabei, und sie sind gut ausgewählt. Die Jongleurin Christine Rochais repräsentiert sicher die Weltklasse ihres Metiers, steigt als Mary Poppins mit weißen Schirmen in ihre Darbietung ein, wirft zunächst ein ganzes Warenlager in die Höhe, legt dann aber den Schalter in eine andere Richtung um, während Shirley Bassey – vom Band – „History repeating“ raunzt; ähnlich wandelt sich die Luftartistin Christine Gruber vom Mauerblümchen zum schwebenden Vamp.

Überhaupt ist die sichere Musikauswahl fern aller Zirkusklischees ein wichtiger Faktor für die gelungene Gesamtwirkung, auch bei den beiden Finninnen Mirja & Sanna am Trapez und vor allem bei „Vik und Fabrini“, einem brasilianischen Duo: Ein schmieriger Magier bringt einen stoisch roboternden Homunkulus auf die Bühne, der sich langsam emanzipiert und seinen Chef mit roten Bällen und anderen Eigensinnigkeiten zur Verzweiflung bringt.

Und das Essen? Wieder hat Christian Lohse zwei Menüs konzipiert, eins mit Fleisch und eins ohne, und nicht unerwartet spielt dabei die wodarztypische Entenkeule, geschmacklich höchst optimiert, eine zentrale Rolle. Vorher gibt es Saibling mit Roter Bete, außerdem davor eine Kalbssülze mit Pilzballotine und einer Kürbissuppe – da ließe sich vielleicht noch ein wenig nachwürzen. Aber Nachwürzen ist normal – und wird sicher auch der ganzen Show noch einen zusätzlichen Kick geben. Bernd Matthies

Bis 3. März im Spiegelzelt am Humboldthafen, www.palazzo.org, Eintritt inklusive Menü, aber ohne Getränke 80-140 Euro

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