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Berlin: Kaminfeuer vergiftete Familie

Dreijähriges Mädchen starb im neuen Haus durch Kohlendioxid. Geschwister und Eltern in der Klinik

Gollwitz/Berlin - Ein dreijähriges Kind ist am Wochenende in einem neu gebauten Haus erstickt, vermutlich durch einen defekten Kamin. Die Eltern hatten am Sonnabendmittag selbst die Feuerwehr gerufen, weil es dem Mädchen aus unerfindlichen Gründen schlecht ging. Doch die eintreffenden Sanitäter waren ebenfalls ratlos, brachten das Kind in eine Klinik. Dort starb es wenig später, teilte die Brandenburger Polizei mit. Während die Sanitäter noch in dem Einfamilienhaus in dem kleinen Dorf Gollwitz nahe Brandenburg (Havel) arbeiteten, wurde dann auch den anderen Familienangehörigen schlecht.

Im Krankenhaus wurde im Blut des toten Kindes ein hoher Wert an Kohlendioxid festgestellt – Messungen im Haus bestätigten diese Diagnose der Ärzte. Alle weiteren Familienmitglieder – zwei Kinder im Alter von sechs Jahren, die 31-jährige Mutter und der 47-jährige Vater wurden von der Feuerwehr in das auf solche Fälle spezialisierte Klinikum in Berlin-Friedrichshain gefahren. Über ihren Gesundheitszustand wurde am Sonntag nichts bekannt.

Wie es in der Polizeiwache der Stadt Brandenburg hieß, habe der Kamin in dem Haus in der sehr kalten Nacht gebrannt und offensichtlich sämtlichen Sauerstoff aus der Luft entzogen. „Der Kamin war bei unserem Eintreffen noch handwarm“, sagte ein Beamter. Um was für einen Kamin es sich genau handelt, blieb gestern unklar. Das vor etwa zwei Jahren gebaute Haus an der Schlossallee, der Hauptstraße des kleinen Ortes, wurde versiegelt. Am heutigen Montag wollen sich Kriminalpolizei, Schornsteinfeger und ein von der Staatsanwaltschaft Potsdam beauftragter Gutachter heute gemeinsam den Kamin und den Schornstein ansehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Bei der Polizei hieß es am Sonntag, dass zunächst geprüft werden müsse, ob die Anlage überhaupt abgenommen worden sei und ob sie gewartet worden ist.

Kohlendioxid ist (wie Kohlenmonoxid) ein farb- und geruchloses Gas. Es entsteht bei der Verbrennung von Holz oder Kohle und verdrängt den Sauerstoff. Wenn es sich in Räumen sammelt, bildet es wegen des höheren Gewichts als Sauerstoff einen unsichtbaren „See“. Bereits Konzentrationen von acht Prozent führen innerhalb einer Stunde zum Tod. Die Vergiftungssymptome sind nach Angaben von Ärzten zunächst unspezifisch, die Ursache ist also nicht eindeutig zu erkennen. Ein Experte verwies gestern darauf, dass gerade in neuen Häusern Fenster und Türen sehr dicht schließen, also keine Frischluft durch Ritzen hereinkommen kann. Einen Suizid oder eine Straftat schließt die Polizei bislang aus.

Tote durch zu hohe Kohlendioxidkonzentrationen gibt es vor allem in Weinkellern, Futtersilos, Brunnen und Jauchegruben, weil das giftige Gas schwerer ist als Sauerstoff und diesen am Boden verdrängt. Bei Unglücken mit Kaminen oder Feuern sterben die Menschen meist an Kohlenmonoxid. Dies entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von Holz oder Kohle. Mehrfach hatte es in den letzten Jahren in Berlin Todesfälle gegeben, weil Menschen ihre Gartengrills ins Haus oder die Laube gestellt hatten – entweder, um damit zu heizen oder weil sie der Restglut nach der Grillparty im Garten keine Beachtung geschenkt hatten. Nach Angaben der Berliner Rechtsmedizin gibt es jährlich 120 bis 150 Kohlenmonoxid-Tote in der Stadt. Oft waren defekte Gasherde die Ursache, manchmal auch Verbrennungsmotoren, die in der geschlossenen Garage liefen. Hinzu kommen zahlreiche Suizide.

Schornsteinfeger empfehlen Hausbesitzern, die mit einem Kamin heizen, eine halbjährliche Reinigung und Überprüfung statt des vorgeschriebenen jährlichen Intervalls. Denn gerade bei feuchtem oder harzhaltigem Holz versottet das Schornsteinrohr schnell – der Rauch zieht nicht mehr so schnell ab. Die Innung plädiert unter Verweis auf derartige Unfälle für einen Fortbestand des umstrittenen Schornsteinfegermonopols.

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