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Berlin: Kampf dem toten Winkel

Kampagne für mehr Verkehrssicherheit gestartet. Dobli-Spiegel für Bezirksamts-Laster

Die Kinder starren mit weit aufgerissenen Augen auf den Mann mit dem kleinen grünen Klappfahrrad. Denn Mario Eichendorf rast frontal auf ein Auto zu und kracht in vollem Tempo in die Stoßstange, fliegt über die Motorhaube und zerschmettert mit dem Oberkörper die Windschutzscheibe. Die Kinder quietschen vor Aufregung und Sorge um den fremden Mann. Doch Eichendorf steht unversehrt wieder auf – und nimmt mit dem verbeulten Rad noch einmal Anlauf.

Was beim professionellen Stuntman völlig ungefährlich ist, kostet Kinder in Sekundenschnelle das Leben. Das demonstrierte am Montag die Fahrradshow der Akademie Bruderhilfe-Familienfürsorge auf dem Spandauer Rathausvorplatz. Die Aktion war der Auftakt zur bundesweiten Sicherheits-Kampagne „Kind im Auto“, die dieses Jahr zum 19. Mal stattfindet. Dabei steht auch das Verantwortungsbewusstsein von Eltern im Mittelpunkt. „Seit vielen Jahren sterben die meisten Kinder im Straßenverkehr nicht als Fußgänger oder Radfahrer – sie sterben als Mitfahrer im Auto“, sagte Günter Lehner, Geschäftsführer der Akademie. Ein Aufprall bei 50 Stundenkilometer habe für ein Kind eine Wucht wie ein Sturz vom Balkon eines vierten Stockwerks. Deswegen führte die Akademie Bruderhilfe auf dem Rathausplatz nicht nur verschiedene Kindersitze vor, sondern schenkte zwei davon dem Spandauer Kindergarten St. Nicolai. Mit schweren Maschinen simulierte die Akademie, wie heftig ein Aufprall schon bei Schritttempo sein kann.

„Kinder sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer – sie müssen geschützt werden“, forderte auch Verkehrsstaatssekretärin Iris Gleicke, die die Kampagne „Kind im Auto“ eröffnete. Ein besonders wichtiges Thema sei hier der tote Winkel, sagte die Bundestagsabgeordnete Gleicke und kündigte noch für dieses Jahr an, Lkw-Betreiber zur Nachrüstung zu verpflichten, um die Sicht der Fahrer zu verbessern. Gleicke mahnte aber auch, dass technische Ausstattung allein keine Unfälle verhindere: „Information und Training der Fahrer ist genauso wichtig.“ Gleicke versprach alles zu tun, um den toten Winkel technisch zu beseitigen. Auf den Dobli-Spiegel nach holländischem Vorbild will sich Gleicke aber nicht festlegen. „Ich bin weder für noch gegen den Dobli. Ich will ihn nicht vorschreiben – aber auch nicht verbieten.“ Der Verkehrsausschuss plant den toten Winkel mit anderem Spiegelglas zu beseitigen, das in die bisherigen Weitwinkelspiegel an Lastern eingesetzt wird. Das Spiegelglas ist stärker gekrümmt und ist ab 2007 EU-weit vorgeschrieben. In Deutschland soll es noch diesen Herbst zur Pflicht werden.

Unterdessen hat Spandaus Bürgermeister Konrad Birkholz nicht lange gefackelt und Dobli-Spiegel an alle Dienst-Lkw anschrauben lassen. Und auch heute wird wieder ein Dobli montiert: für 17 Uhr organisierte EU-Abgeordnete Dagmar Roth-Berendt auf dem Henriettenplatz in Lichterfelde eine Info-Aktion, auf der ein Lkw des Technischen Hilfswerks umgerüstet wird.

Carola Padtberg

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