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Berlin: Kampf der Gutachter

Gibt es einen Anspruch der Investoren auf weitere Förderung? Eine Frage für die Anwälte

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Haben private Investoren, die ihr Geld in Sozialwohnungen anlegten und dafür 15 Jahre staatlich subventioniert wurden, einen Rechtsanspruch auf Weiterförderung? Um diese Frage entbrennt nun ein Kampf der Giganten. Der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen führt, wie berichtet, ein Gutachten der illustren Berliner Kanzlei „Knauthe Eggers“ ins Feld, das auf 50 Seiten den Anspruch auf Anschlussförderung proklamiert. Für die Sozietät Knauthe, die in fünf deutschen Städten vertreten ist, arbeiten 45 erstklassige Rechtsanwälte. Dazu zählt der ehemalige Berliner Bau- und Finanzsenator Klaus Riebschläger, der am Gutachten maßgeblich mitarbeitete.

Aber das ist noch gar nichts gegen „White & Case, Feddersen“, hinter der eine Heerschar von 1600 hoch bezahlten Juristen steht, die in 26 Ländern rund um den Globus arbeiten. Deren Anwalt Tobias Masing war am 4. November 2002 zugegen, als die Expertenkommission zur „Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau des Landes Berlin“ eine Anhörung veranstaltete. Masing kam im Ergebnis ebenfalls zu der Auffassung, dass der Senat mit einem sofortigen Totalausstieg aus der Förderung vor Gericht scheitern könnte.

Sollte Finanzsenator Thilo Sarrazin da klein beigeben? Nein – das tat er nicht. Er beauftragte frohen Mutes die Sozietät „Freshfields Bruckhaus Deringer“ damit, ein juristisch wasserdichtes Gegengutachten anzufertigen. Diese Kanzlei ist ebenfalls ein Global Player und beschäftigt 2400 Rechtsanwälte in 28 Ländern. Die Selbsteinschätzung lautet: „Eine Spitzensozietät unter den internationalen Anwaltskanzleien“. Freshfields und Partner haben sogar einmal die Bundesrepublik Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt. Im Auftrag des Fürstentums Liechtenstein. Das Gutachten für Sarrazin ist übrigens 51 Seiten dick.

Die Kernaussage des Papiers: Die Wohnungseigentümer können sich nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Weder aus verwaltungsinternen Rechtsvorschriften noch aus den Bewilligungsbescheiden für die 15-jährige Grundförderung sei ein „rechtserheblicher Vertrauensbestand“ auf Fortsetzung der Förderung herleitbar. Wenn der Senat keine Anschlussförderung leiste, betreffe dies kein bestehendes Rechtsverhältnis, sondern führe nur dazu, dass ein neues Rechtsverhältnis (Gewährung einer Weiterförderung) nicht begründet werde. Auch aus einfachem Landes- oder Bundesrecht seien keine Anspruchsgrundlagen zugunsten der betroffenen Eigentümer ersichtlich. Die grundgesetzliche Eigentumsgarantie greife ebenfalls nicht, meinen die Gutachter. Verfassungsrechtlich geschützt seien nur konkrete Bestände von Rechten und Gütern eines Privatbetriebes, aber nicht bloße Erwerbsaussichten, Verdienstmöglichkeiten und Zukunftshoffnungen.

Zwar haben die Investoren für die öffentliche Förderung ihres Wohneigentums eine Mietpreis- und Belegungsbindung in Kauf genommen. Aber dies sei nur eine Gegenleistung für die Grundförderung in den ersten 15 Jahren, heißt es im Gutachten. Zu einer Anschlussförderung sei das Land Berlin deshalb nicht verpflichtet. Der Totalausstieg aus der Förderung wirke auch nicht verbotenerweise auf frühere Sachverhalte zurück. Enttäuscht würden lediglich Erwartungen der Eigentümer für die Zukunft. Das Sozialstaatsprinzip greife ebenfalls nicht. Es verpflichte zwar den Gesetzgeber zur Schaffung sozial gerechter Verhältnisse, doch begründe es keine subjektiven Rechte einzelner Bürger. Nicht nur für die Eigentümer, auch für die Mieter verneint das Gutachten jeden Rechtsanspruch auf Anschlussförderung.

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