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Berlin: Kann die Polizei Jugendliche mit Gesprächen beeindrucken?

Körting: Polizisten sollen bei Kleindelikten sofort erzieherische Maßnahmen "anregen"VON HANS TOEPPEN BERLIN.Mehr Arbeit für die Polizei und gründliches Nachdenken über erzieherische Maßnahmen für straffällige Jugendliche: Das ist die Konsequenz eines Gedankens, den Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) gerade in seiner Verwaltung prüfen läßt.

Körting: Polizisten sollen bei Kleindelikten sofort erzieherische Maßnahmen "anregen"VON HANS TOEPPEN BERLIN.Mehr Arbeit für die Polizei und gründliches Nachdenken über erzieherische Maßnahmen für straffällige Jugendliche: Das ist die Konsequenz eines Gedankens, den Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) gerade in seiner Verwaltung prüfen läßt.Körting stellt sich vor, daß junge Leute bei Kleinkriminalität wie Ladendiebstahl oder Graffiti-Schmiereien sofort von der Polizei zu Aktionen "tätiger Reue" veranlaßt werden: Schaden-Wiedergutmachung beispielsweise oder gemeinnützige Arbeit.Die Fälle sollen dann gar nicht mehr vor einen Richter kommen.Ein Sprecher von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) begrüßte den Vorschlag gestern. Körting und Schönbohm sind sich vor allem in dem Gedanken einig, daß gerade bei Jugendlichen keine längere Frist zwischen Straftat und Reaktion darauf verstreichen darf.Schönbohm finde alles gut, was den Abstand zwischen Tat und Sanktion verkürze - seien dies nun beschleunigte Gerichtsverfahren oder Reue-Aktionen, sagte sein Sprecher Thomas Raabe gestern.Körting wiederum hat vor kurzem gegenüber ADN formuliert, Jugendlichen müsse unmittelbar nach der Tat klargemacht werden, daß sie "etwas verbockt" hätten.Bisher dauere dies zu lange.Zwischen Delikt und Urteil oder Einstellung vergingen oft Monate. Fachleute erklären immer wieder, daß es dann für einen erzieherischen Effekt zu spät ist.Nach Vorstellung Körtings soll der Anstoß zu Sanktionen also nach vorne in die Polizei verlagert werden.Der Justizsenator hatte sich vor einigen Monaten noch damit zitieren lassen, daß die Polizei selbst Erziehungsmaßnahmen in Gang setzen solle.Innerhalb der Polizei gibt es sogar Vorstellungen über ein eigenes polizeiliches "Straf"-Recht.Inzwischen ist die Formulierung vorsichtiger geworden.Die Polizei solle erzieherische Maßnahmen - Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenbeseitigung, Schaden-Ausgleich, gemeinnützige Arbeit - nur "anregen", wie Körtings Sprecherin Svenja Schröder gestern bestätigte. Gemeint sei ein "erzieherisches Gespräch" gleich nach der Tat bei der Polizei, mit dem beispielsweise ein Graffito-Sprayer zur Beseitigung seiner Schmiererei gebracht werden könnte.Juristischer Hintergrund ist das Jugendgerichtsgesetz, das in Paragraph 45 das "Absehen von Verfolgung" regelt.Danach kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren bei geringfügigen Vergehen einstellen, "wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist".Körting läßt in seiner Verwaltung gerade eine Richtlinie für die Staatsanwaltschaft erarbeiten, will das Thema aber noch mit den Strafverfolgern und der Polizei erörtern. Entscheidend dürfte dabei die Frage sein, mit welchem Personal und auf welche Weise die Polizei Jugendliche zu solchen - juristisch freiwilligen - erzieherischen Maßnahmen bringen soll.Körting stellt sich beispielsweise gemeinnützige Arbeit in Seniorenheimen vor.So etwas kann sonst nur von einem Richter angeordnet werden. Dabei ist schon die reine Masse ein Problem.Nach Angaben der Innenverwaltung sind von Polizei und BGS in Berlin im vorigen Jahr rund 8000 Graffiti-Schmiereien festgestellt worden.Rund 1500 der jungendlichen Täter wurden auf frischer Tat erwischt.Die Fälle gehen bisher an die Staatsanwaltschaft.Nach dem Konzept des Justizsenators hätte die Polizei, abgesehen von hartnäckigen und unbelehrbaren Wiederholungstätern, hier also einen riesigen Erziehungsaufwand zu treiben.

HANS TOEPPEN

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