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„Wenn man sich ein Buch ausleiht, sollte man es also mit großer Wertschätzung behandeln“, findet unsere Kolumnistin.

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„Kann man so einem noch freundlich begegnen?“: Vom Ärger über ein verschenktes Buch

Unsere Leserin ärgert sich über einen Verwandten, der ihr Buch einfach weitergab. Zu Recht, findet unsere Kolumnistin.

Mein Schwager lieh sich ein von mir sehr geschätztes Buch aus. Von der Lektüre war er so angetan, dass er sich gleich zwei Exemplare im Internet bestellte. Nachdem ich das Buch in einer Tüte zurückerhalten hatte, stellte ich später beim Auspacken fest, dass es sich keineswegs um mein eigenes neuwertiges Buch handelte, sondern um ein vergilbtes, verschmutztes Exemplar. Zur Rede gestellt, bot er mir sein Internet-Exemplar an, in dem freilich der Name des Vorbesitzers stand. Mein Buch hatte er einfach verschenkt. Kann man so einem Menschen noch freundlich begegnen?

Anna, belesen

Zugegeben, Ihr Schwager hat sich miserabel und ausgesprochen unsensibel verhalten. Bücher können zu Lebensbegleitern werden. An ihnen knüpfen sich Erinnerungen, sie werden unter Umständen zu geliebten Gegenständen, die in einen Haushalt gehören wie alte Erbstücke. Wenn man sich ein Buch ausleiht, sollte man es also mit großer Wertschätzung behandeln. Das schließt nicht aus, dass es am Ende Gebrauchsspuren zeigt.

Aber selbst ein fetter Rotweinfleck wäre kein Anlass, einfach ein neues Buch zu kaufen. Man müsste dem Besitzer erklären, wie es dazu kam, um Verzeihung bitten und ihn fragen, ob er ein neues Exemplar bevorzugt, oder ob er lieber das beschädigte Buch zurücknimmt. Das sollte dann bestenfalls zusammen mit einer guten Flasche Rotwein retourniert werden. Hier sprechen wir von einem kleinen Unfall, der unschön ist, aber vorkommen kann.

Ihr Schwager hat sich dagegen monströs danebenbenommen, indem es ihm einerlei war, welches Exemplar er verschenkte, und welches er für sich behielt. Ihm war nicht klar, dass auch Bücher eine Seele haben können, also nicht einfach austauschbar sind. Sie haben wirklich allen Grund, zornig zu sein.

Dem Schwager die Sache für immer nachzutragen, ist aber auch keine Lösung. Darunter würden Sie ja selber auch leiden, wenn man sich im Familienkreis trifft. Besser wäre es, eine Aussprache zu suchen. Machen Sie ihm dabei unmissverständlich klar, dass dieses besondere Buch Ihnen viel bedeutet hat, und was für einen riesigen Verlust es für Sie persönlich bedeutet, dass er das so einfach weiter verschenkt hat.

Sagen Sie ihm ruhig, dass Sie ihm nach diesem Erlebnis zwar gerne weiter Buchempfehlungen geben, dass er sich die aber dann gleich im Internet bestellen kann, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, Ihr Eigentum anderweitig unter die Leute zu bringen. Wenn das glasklargestellt ist, sollten Sie wieder freundlich zu ihm sein. Man soll aus Fehlern lernen, aber auch in der Lage sein, sie zu verzeihen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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