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Berlin: Karaoke in Shenzhen

Der Wirtschaftssenator wirbt für Berlins Kreative – und macht in China auch ein wenig Weltpolitik

Im Herzen Pekings, nördlich des mächtigen Tiananmen-Tores mit dem riesigen Maoporträt, liegt die Verbotene Stadt. Vor dem Eingang warten Straßenhändler mit Bildbänden und Olympia-Maskottchen auf Touristen. Harald Wolf, dem Bürgermeister und Wirtschaftssenator von Pekings Partnerstadt Berlin wird von einer Händlerin ein kleines rotes Buch angeboten: Die berühmte Maobibel, heilige Leitschrift vieler deutscher Altlinker. Wolf aber hat keinen Bedarf. „So eine habe ich noch irgendwo zu Hause.“

Wolf ist nicht zur politischen Bildung ins kommunistische China gereist. Die Geschichte hat es so gewollt, dass der frühere Trotzkist und Grünen-Politiker heute auch dafür zuständig ist, dass es den Berliner Unternehmern gut geht. Seit vergangenem Dienstag ist der Wirtschaftssenator in China unterwegs, um Unternehmern Türen zu öffnen und Kontakte zu besorgen.

Eine kleine Lücke im Arbeitsprogramm erlaubt den kurzen Ausflug zu den prächtigen Palästen der Kaiserzeit und zu Maos Mausoleum auf dem Tiananmen-Platz. Er sei nie Anhänger Maos gewesen, sagt Wolf. Auch damals nicht, als dessen rote Bibel in keinem Studentenregal fehlen durfte. „Ich war Trotzkist und damit in erster Linie Antistalinist“, sagt er. „Mao hat ein stalinistisches System .“

Wolf wirbt in China vor allem für Berlins Kreativwirtschaft. In Hongkong sprach Wolf mit Vertretern der dortigen Filmindustrie. In der benachbarten Wirtschaftsmetropole Shenzhen eröffnete Wolf eine Ausstellung Berliner Designfirmen. Beim Symposium zur Ausstellung sitzen sich Vertreter Berlins und des Shenzhener Bezirks Futian an einem langen Tisch gegenüber, zwei Dutzend Männer und ein paar Frauen. Sehr streng und formell geht es zu. Die Gastgeber beginnen mit einer endlosen Aufzählung ihrer Standortvorteile: Ein Dutzend Technologieparks, immer mehr Hightechbetriebe, immer mehr Mitarbeiter in Kreativfirmen... Die ersten Zuhörer nicken bald ein. Wolf kontert mit den Vorzügen Berlins und erklärt seine Innovationsstrategie, spricht über Gesundheitswirtschaft, Verkehrstechnik, Optoelektronik, Informationstechnologie und Kreativwirtschaft. Wolf ist kein packender Redner. Weiteren Zuhörern fallen die Augen zu.

Obwohl Wolf nur Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit ist, erhält er einen Termin beim Bürgermeister der Zehn-Millionen-Metropole Shenzhen. Das sei eine besondere Ehre, heißt es in seiner Delegation, „sonst treffen sich chinesische Politiker nicht mit Gesprächspartnern, die formal niedriger stehen als sie“. Wolf und sein Gastgeber unterschreiben eine gemeinsame Erklärung über eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Städte. Viel steht nicht drin, aber die Chinesen legen Wert auf solche Dokumente. Die strenge Formalität des Protokolls gefällt dem Krawattenverächter Wolf gar nicht. „Da liegt mir die ungezwungene Art der amerikanischen Delegationen eher.“

Dabei ist Wolf alles andere als ein lockerer Typ. Er blickt meist eher mürrisch drein und entflieht drohendem Smalltalk wo er kann. Von seiner entspanntesten Seite kann man ihn beim Karaokeabend zum Abschied aus Shenzhen erleben. Aber auch hier prüft er zwischen den Gesangseinlagen, ob wichtige Mails auf dem Handy angekommen sind.

In Peking trifft Wolf gar Zhang Zhijun, den Vizeminister für Auswärtiges im Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas. Wolf spricht die Menschenrechte an, sein Gesprächspartner drückt Irritation über die Tibet-Begeisterung in Deutschland aus. So ein Gespräch bekommt nicht jeder deutsche Landespolitiker. „Der Termin“, erklärt Wolf, „ist über Parteikontakte zustande gekommen.“ Alexander Visser (Peking)

Alexander Visser (Peking)

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