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Karaoke mit Sendepause: Karaoke mit Sendepause

Mauerpark-Animateur Joe Hatchiban darf nicht mehr jeden Sonntag auftreten Touristen sagen, Berlin schade sich mit allzu strengen Regeln am Amphitheater.

Berlin - „Jeder nimmt bitte Müll mit, es hängen auch Müllsäcke da“ – das ist am Sonntagabend Joe Hatchibans letzte Ansage nach seiner populären Karaoke-Show im Amphitheater des Mauerparks. Zwischen 15 und 19 Uhr haben junge Leute aus Berlin, Kolumbien, der Schweiz, sogar die Flaschensammler über Lautsprecher spontan Hitklassiker schön schräg zum Besten gegeben, das Publikum auf den Stufen hat mitgesungen, Tausende in heiterer, ja ausgelassener Stimmung. Dabei fällt einiger Müll an, aber die Bitte wird erhört: Zum Schluss ist alles wieder sauber. Der aus Irland stammende Hatchiban sage das immer an, hatte schon am Vormittag Stadtführer Robert Müller erklärt, als er mit Radlerinnen auf den „Free Berlin“-Bikes am Amphitheater einen Halt einlegte. Doch mittlerweile ist der Appell um so wichtiger. Seit 2009 baut der ehrenamtliche Animateur dort jeden Sonntag bei gutem Wetter seine Anlage auf, seine Gratis-Karaoke-Show wird schon in Reiseführern empfohlen. „Hier mitzumachen, bringt gute Laune“, sagt eine Besucherin. Doch nun bekommt der Entertainer nur noch eine Sondernutzungserlaubnis für zwölf Sonntage im Jahr, und der Ire muss 1500 Euro bezahlen – so will es Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. Nächsten Sonntag ist es wieder soweit, „die Tage danach weiß ich selber gar nicht auswendig“, erzählt Hatchiban, während jemand schmettert, die Leute klatschen – und Hatchibans Bruder Lenny jeden Sänger für einen Internetfilm mitschneidet. „Ich hoffe, wir können uns einigen“, sagt der Karaoke-Organisator, „ich will den Platz gar nicht blocken. Aber vorab die Tage festzulegen, ist für mich finanziell schlecht, denn die Leute kommen doch nur bei gutem Wetter.“ Hatchiban läuft zwischendurch mit einem gelben Plastikgefäß durchs Publikum – die einzige Weise, wie er um Geld bittet. Die fliegende Händlerin, die an diesem Sonntag Getränke verkauft, nimmt die Pfandflaschen wieder zurück. Oder Sammler heben sie gleich auf. Das Bezirksamt sagt, Hatchiban habe nicht zusagen können, den Müll zu entsorgen und den illegalen Handel mit Getränken und Snacks zu unterbinden. Doch viele Parkbesucher wissen gar nicht, wie sie die neuartigen Mülleimer mit unterirdischem Speicher überhaupt aufbekommen. Wenn sie das System der seitlichen Griffe durchschauen, sind viele Behälter oft schon vollgestopft. Der Bezirk will die Fläche zudem nicht nur dem Publikumsliebling allein überlassen. „Dass auch andere Musiker eine Chance bekommen sollen, finde ich gut,“ sagt eine 55-Jährige aus Charlottenburg. „Das Reglement ist albern“, meint hingegen eine 26-Jährige aus Friedrichshain, „er hat mit der Show angefangen, hat das alles zu einer Attraktion aufgebaut, und nun will man es ihm verbieten?“ Die Gesangsstunden seien aber „kommerziell geworden, da ist Charme verloren gegangen“, sagt sie. Joe Hatchiban bietet am Ende T-Shirts an, zehn Euro das Stück. Eine der Frauen aus der radelnden Touristengruppe schüttelt den Kopf. „So jemand ist doch eine tolle Werbung für Berlin“, sagt die 45-jährige Urlauberin aus Detmold. „Stoppt man solch einen Selbstläufer, schadet sich die Stadt selbst.“ Sabine Türk, 48, rät, man solle im Park große Müllcontainer aufstellen, wie in Hamburg. Und andere Musiker könnten doch vor 15 Uhr dort spielen. „Aber so viel Publikum zu kriegen, das dann so viele Münzen wirft, dass man sich die Gebühren leisten kann, ist schwierig“, sagen zwei Musiker aus Neuseeland. Sie spielen nebenan vor ein paar Leuten, die nur kurz stehenbleiben. Annette Kögel

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