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Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik: Psychisch gestörter Täter floh aus Nervenklinik

Ein Patient aus der Berliner Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik entwischte bei einem Ausgang seinem Begleiter und wandte sich nach seiner Flucht an den Tagesspiegel. Die Gesundheitsverwaltung hielt den Fall geheim. Auch Suizide im Maßregelvollzug werden nicht gemeldet.

Zwei Tage nach seiner Flucht aus dem Maßregelvollzug konnte die Polizei einen 40-Jährigen wieder festnehmen. Er war in der vergangenen Woche bei einem begleiteten Ausgang seinem Bewacher am Kurt-Schumacher-Platz entwischt. Mario P. war 2004 von einem Richter in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden, weil er in seiner Wohnung einen Brand gelegt hatte, um sich das Leben zu nehmen. Von dieser jüngsten Flucht aus der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik (KBN) erfuhr die Öffentlichkeit nichts, ebenso wenig wie von vorangegangenen. „Nicht presserelevant“, beschied eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. Mario P. sei kein Mörder oder Sexualstraftäter und lediglich suizidgefährdet, hieß es zur Begründung.

Die Absicht, sich das Leben zu nehmen, hatte Mario P. zuletzt zwei Stunden nach seiner Flucht in einem Telefonat mit dem Tagesspiegel betont – und seinen Selbstmord im Spandauer Forst angekündigt: „Ich bin ohnehin schon mehr tot als lebendig“, sagte der Geflohene. Um die Suche nach dem Kranken nicht zu gefährden, verzichtete der Tagesspiegel auf einen Bericht. Eine Hundertschaft durchsuchte den Spandauer Forst, auch ein Hubschrauber war im Einsatz. Entdeckt wurde er dann durch Zufall am Klinkeplatz – vor der Polizeischule.

Mario P. hatte sich in den vergangenen Jahren mehrfach schriftlich an den Tagesspiegel und auch den Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt. Darin hatte er die KBN als „Psychiatriemuseum“ bezeichnet und kritisiert, dass es kaum Therapiestunden gebe. „Ich habe in zwei Jahren vier Mal einen anderen Therapeuten bekommen“, schrieb P: „Das ist zu oft.“ Am Telefon hatte er nach seiner Flucht gesagt: „Der Rasen wird besser gepflegt als die Patienten.“ In der KBN gebe es deshalb „Suizidversuche und Suizide“, schrieb er.

Doch auch die sind offenbar nicht „presserelevant“. Die Gesundheitsverwaltung spricht von „ein bis zwei Suiziden pro Jahr“. Die letzte genaue Zahl datiert von 2006. Damals nahmen sich sechs Männer in der KBN das Leben, darunter zwei, deren Fälle öffentliche Aufmerksamkeit erregt hatten: Lothar Terletzki, der im August 2000 in der Charlottenburger Herderstraße eine verheerende Gasexplosion ausgelöst hatte. Und Berto Borsch, der 2001 eine Neunjährige entführt und missbraucht hatte. Nun bestätigte die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung auf Anfrage, dass sich auch Messaoud Chaabani getötet hat, der vor zehn Jahren am Kottbusser Tor einen dreijährigen Jungen als Geisel genommen hatte. Der Algerier hatte gedroht, das Kind zu töten, bis er nach sechs Stunden vom SEK überwältigt werden konnte. Der Fall hatte damals eine Debatte über den „finalen Rettungsschuss“ ausgelöst, also die gezielte Tötung durch Polizisten.

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