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Imam

© ddp

Karlshorst: Koranstudien im ehemaligen Haus der Eisenbahner

Deutschlands erste private Imamschule lud zum Tag der offenen Tür. Im früheren Haus der Eisenbahner soll den Schülern vor allem eines gegeben werden: neue Perspektiven.

Herbert Janz ist überrascht, als er den Festsaal des ehemaligen DDR-Kulturhauses der Eisenbahner betritt. „So schön war das früher nicht“, sagt der 80-jährige Karlshorster und blickt zu den Kronleuchtern an die Decke. Für den Tag der offenen Tür in der neuen Imamschule in Lichtenberg haben die muslimischen Gastgeber ihr renoviertes Ostgut herausgeputzt: Der Parkettboden strahlt, die Tische sind hübsch gedeckt und die 150 Stühle mit rotem Samt bezogen. Nach den Worten der Bürgermeisterin und des Vorsitzenden des Bürgervereins gibt es ein Kulturprogramm: Derwische drehen sich mit langen, weißen Gewändern im Kreis.

„Die Welt hat sich verändert“, sagt Janz ohne Häme und klatscht begeistert. Vom Einzug der Muslime habe er durch die rechtsextreme NPD erfahren. Sie hatte im Dezember Protestflyer in die Briefkästen der Umgebung gesteckt. Seitdem fragen sich die Anwohner, wer da wohl neben den Gleisen am Betriebsbahnhof eingezogen ist. Abgeschreckt haben die Flugblätter die meisten Nachbarn nicht. Etwa hundert Anwohner sind gekommen, viele aus Neugier auf das neue Innenleben des alten Kulturhauses – und auf die Mieter.

Vor vier Jahren kaufte der Verein „Institut Buhara“ das Gebäude und begann, das Internat herzurichten. Laut Schulleiter Alexander Weiger, 37, stammen die Gelder dafür von Spenden der Mitglieder der türkischen Semerkand-Moschee in Tiergarten. Semerkand ist eine Gemeinde mit 300 Mitgliedern, darunter auch erfolgreiche Unternehmer.

Im dreistöckigen Gebäude in der Wallensteinstraße können 68 junge Männer zu Vorbetern ausgebildet werden. Der erste Jahrgang mit 29 Schülern hat vor Monaten begonnen. Auf dem Lehrplan stehen Arabisch, Türkisch Deutsch, aber auch Gesellschaftskunde und Kunst. „Wir wollen die Jugendlichen im Sinne des Sufismus erziehen“, sagt der Leiter der Privatschule. Der gebürtige Bayer konvertierte zum Islam, weil ihn der Sufismus überzeugt habe. Grundlage der mystischen Strömung ist der Koran, doch strenggläubige Muslime werfen den Sufis vor, die Lehren des Islam nicht genügend zu beachten und stattdessen eine individuelle Nähe zu Gott zu pflegen. Trotzdem wirkt die Sufi- Lehre streng: Die künftigen Vorbeter dürfen etwa Frauen nicht die Hand schütteln. „Wir sollen von Anfang an die reine Lehre des Islams leben“, erklärt Gökhan Günde, ein 21-jähriger Schüler aus Duisburg.

Der Verein bildet Imame für die zahlreichen Sufigemeinden in Deutschland aus. Bundesweit gibt es rund 100 000 Sufisten, schätzt Weiger. Zum anderen erfüllt die Schule einen sozialen Zweck: „Viele der Schüler waren arbeitslos, bevor sie hier anfingen. Sie brauchten eine Perspektive.“ Die 4000 Euro Ausbildungskosten pro Jahr bezahlen laut Weiger die Eltern. „Ihr Kindergeld macht schon die Hälfte des Betrags aus“, und den Rest würden die Eltern gerne drauflegen. 

Ferda Ataman

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