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Geschminkte Gesichter beim Karneval der Kulturen

© dpa

Karneval der Kulturen: Rettet die Parade der Weltstadt!

Der Karneval der Kulturen ist in die Jahre gekommen - und schwächelt. Es wäre dringend Zeit für mehr politische Unterstützung und professionelles Kulturmanagement, um das Großereignis aufzuwerten.

Er war schon mal schillernder, bunter, euphorischer und weltstädtischer, der Karneval der Kulturen. Aber es scheint, als gehe dem Straßenumzug durch Kreuzberg die Puste aus. Alles war diesmal etwas bescheidener: Die Kostüme, die Dekorationen der Wagen, die Tanzfreude an der verkürzten Paradestrecke. Mit 84 beteiligten Gruppen und rund 5300 Akteuren ist die Zahl der Teilnehmer zwar wieder leicht gestiegen, doch von den 100 Gruppen, die im Jahr 2011 dabei waren, ist das Multikulti-Fest weit entfernt.

Mag sein, dass die Zeit dieses Festivals zwischen Migranten-Folklore und urdeutschem Pfingstbesäufnis endgültig vorbei ist, wie Tagesspiegel-Kollege Kai Müller in der Sonnabendbeilage „Mehr Berlin“ insinuierte. „Ein Viertel der Berliner Bevölkerung hat seine kulturellen Wurzeln in einem anderen Land. Es sollte doch möglich sein, mit diesem Schatz an Migrationserfahrungen einfallsreicher umzugehen, als ihn an Essstände und Auftritte in Trommelgruppen zu vergeuden. Ich will es wilder, magischer, bilder- und geistreicher.“

Wer sich am vergangenen Wochenende durch alkoholisierte Massen und Fettschwaden von Fressständen gedrängt hat, kann dem nur zustimmen. Berlin wird jedes Jahr internationaler, teurer und gentrifizierter - aber für die große Parade, mit der sich die Weltgesellschaft der Stadt einmal im Jahr präsentiert, tut die deutsche Hauptstadt herzlich wenig. Willkommenskultur sieht anders aus.

Mit Grußworten der Politik allein ist der Karneval nicht zu retten

Für die Rettung des Karnevals und seine Aufwertung zu einem Kulturevent wäre deutlich mehr politisches Engagement nötig. Mit schönen Grußworten allein ist es nicht getan, auch wenn sie den Karneval zum staatspolitisch wertvollen Spektakel aufwerten. So preist die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) das „Paradebeispiel für gelebte Integration“ als „international viel beachtete Veranstaltung“, mit der sich „Berlin und die Bundesrepublik von ihrer besten Seite“ präsentierten. Und für Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist es „das große Fest der Internationalität und Weltoffenheit“, in dem sich der „kulturelle Reichtum unserer Stadt“ spiegelt. Viel Wortgeklingel, das sich die Politik wenig kosten lässt.

Denn trotz der großspurigen Bekenntnisse bleiben die Veranstalter des Karnevals, die Werkstatt der Kulturen, weitgehend auf sich selbst gestellt. Die Sponsorensuche gestaltet sich von Jahr zu Jahr schwieriger, der Landeszuschuss von 270 000 Euro reicht gerade mal für Straßensperrungen und Müllentsorgung. Dabei geht es gar nicht allein ums Geld. Auch organisatorische Unterstützung, etwa durch den landeseigenen Wirtschaftsförderer Berlin Partner oder die professionelle Begleitung durch die Berliner Festspiele, würde dem Karneval schon sehr nutzen - qualitativ und ökonomisch. Denn ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Stadt ist das Volksfest längst. Nach Berechnungen der Investitionsbank Berlin hat der Karneval der Kulturen zwischen 2007 und 2011 insgesamt 53,2 Millionen Euro zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen – von denen der Berliner Haushalt durch Steuern und Gebühren profitiert hat.

Es könnte sich also lohnen, etwas mehr in den Karneval der Kulturen zu investieren, bevor die Kultur ganz raus ist.

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