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Berlin: Kassiert, aber nicht gearbeitet

Ein Rechtsanwalt steht vor Gericht – als Angeklagter. Er soll ein Inkassounternehmen betrogen haben

Das Unternehmen vertraute auf seine Seriosität und Kompetenz, er aber soll fürs Nichtstun eine erkleckliche Summe kassiert haben: Ein 55jähriger Rechtsanwalt muss sich seit dem gestrigen Montag wegen Betruges vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Der Jurist aus Charlottenburg soll zwischen November 1998 und Dezember 2000 in 160 Fällen Kostenvorschüsse in Höhe von insgesamt rund 17000 Euro von einem Inkassounternehmen eingesteckt haben, ohne die vereinbarten Gegenleistungen zu erbringen, hieß es bei der Verhandlung.

Die Staatsanwaltschaft geht von einer „von Anfang an beabsichtigten Untätigkeit“ aus. Das aber bestritt der Angeklagte. Er habe für das Inkassounternehmen jahrelang gearbeitet und die Firma nie bewusst schädigen wollen. Fehler allerdings gab er zu. Es seien „einige Sachen liegen geblieben“, sagte der Angeklagte. Über die Vielzahl der Fälle, die unbearbeitet in den Schubladen lagen, sei er selbst erschrocken gewesen. „Im strafrechtlichen Sinne fühle ich mich aber unschuldig“, erklärte der langjährige Strafverteidiger gegenüber dem Gericht.

Geht es nach den Erklärungen des Angeklagten, dann ist er selber der Betrogene. Der Jurist brachte bei der Verhandlung einen Partner ins Spiel, mit dem er bis zum Jahr 1996 eine gemeinsame Kanzlei betrieb. Der habe sich schließlich in die USA abgesetzt und ihn mit einem Schuldenberg von rund 250 000 Euro sitzen lassen.

Wie prekär die finanzielle Situation war, will der Angeklagte aber erst nach einem Blick in den Schreibtisch seines früheren Geschäftspartners erkannt haben. „Ich fand unzählige Mahnungen“, sagte der Jurist.

Die Uregelmäßigkeiten, um die es nun geht, führte der Angeklagte auf diese heimliche Trennung von seinem Kollegen zurück. „Ich war nur noch dabei, Geld zu verdienen, um die Schulden zu begleichen“, sagte der Angeklagte weiter. An Aufträgen habe es zwar nicht gemangelt. Allerdings sei ihm kaum noch Zeit geblieben, sich hinreichend um seine Mandanten zu kümmern. Wenn beispielsweise eine Klageschrift raus war, habe den „Rest“ oft seine Kanzlei-Mitarbeiterin erledigt.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt. K. G.

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