zum Hauptinhalt
Freigängerin: Künftig müssen Katzen, die in Berlin frei herumlaufen, kastriert oder sterilisiert sein.

© dpa

Update

Kastriert, gechippt, registriert: Neue Auflagen für Berliner Katzen

Der Senat hat am Dienstag eine Katzenschutzverordnung beschlossen. Betroffen sind alle Katzen mit freiem Auslauf.

Für Berlins Katzenhalterinnen und -halter brechen neue Zeiten an. Zumindest für die Katzenfreunde und -freundinnen, die ihren Mitbewohnern freien Auslauf lassen. Freigängerkatzen müssen in Berlin künftig kastriert oder sterilisiert sein, so steht es in der Katzenschutzverordnung, die der Senat an diesem Dienstag beschlossen hat.

Zudem müssen die Tiere gechippt und registriert sein. Damit soll verhindert werden, dass die Zahl der Streunerkatzen in Berlin noch weiter ansteigt. Damit sich Katzenbesitzer auf die neuen Auflagen einstellen können, soll die Kastrations-, Chip- und Registrierungspflicht allerdings erst in einem Jahr greifen.

Mehr als 170.000 Katzen leben in Berlin

Wie viele Katzen in Berlin leben, weiß niemand genau. Anders als Hunde, für die Halterinnen und Halter Hundesteuer zahlen müssen, werden Katzen nicht registriert. Schätzungen zufolge könnten es jedoch mindestens 175.000 Tiere sein. Das ergibt sich aus einem einfachen Dreisatz. Bundesweit gibt es 15 Millionen Katzen und zehn Millionen Hunde. In der Hauptstadt sind 117.000 Hunde behördlich erfasst, für die Steuern gezahlt werden. Entsprechend mehr Katzen dürften in den Haushalten von Spandau bis Köpenick zu finden sein. Doch nicht jedes Tier hat ein Zuhause.

Mit der Verordnung reagiert der Senat auf das Elend der wild lebenden Katzen, die einst entlaufen sind oder ausgesetzt wurden. Nun hausen sie in Gartenlauben, Hinterhöfen oder Gewerbegebieten. Viele sind verletzt oder leiden unter Katzenschnupfen, Parasiten, Zahnentzündungen oder infizierten Wunden.

Katzenschützerinnen Andrea Damitz (rechts) und Gudrun Kreft mit ihrer selbst gebauten Katzenfalle für kranke Streuner.
Katzenschützerinnen Andrea Damitz (rechts) und Gudrun Kreft mit ihrer selbst gebauten Katzenfalle für kranke Streuner.

© Doris Spiekermann-Klaas

Andrea Damitz kennt das zur Genüge. Erst kürzlich hat die Katzenschützerin ein Pärchen in der Sonnenallee eingefangen. "Beide Tiere waren krank", erzählt sie. Der eine Kater hatte ein eiterndes Auge, der andere hatte Durchfall und steckte voller Zecken. In Schöneberg meldeten Mieter eine Kolonie von 16 Katzen, die sich in einem Innenhof eingerichtet hatten, einige der Katzen waren trächtig. Auch das ein Fall für die Tierschützerin.

[Immer konkret aus Ihrem Kiez: Die Tagesspiegel-Newsletter für die 12 Berliner Bezirke gibt es hier: leute.tagesspiegel.de]

Rund 10.000 Katzen leben wild in der Hauptstadt, schätzt die Sprecherin des Berliner Tierheims, Annette Rost. "Das Problem nimmt zu", glaubt Damitz. Viele Menschen, die sich etwa im Lockdown eine Katze angeschafft haben, wüssten nicht, wie wichtig es ist, die Tiere unfruchtbar zu machen. Vielen fehle aber auch schlicht das Geld, vermutet die Tierschützerin.

[Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen in Berlin. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

"Dass die Katzenschutzverordnung jetzt endlich kommt, ist eine gute Nachricht", sagt auch Tierheim-Sprecherin Rost. Vor allem die Pflicht, dass private Katzenhalter ihre Freigängerkatzen kastrieren lassen müssen, sei wichtig. "Unsere ehrenamtlichen Helfer sehen täglich das Katzenleid, wenn sich Katzen unkontrolliert paaren und dadurch die Population immer stärker wächst", gibt Rost zu bedenken.

Der Senat hat sich Zeit gelassen

Tierschützer hätten sich gewünscht, dass der Senat schon früher Nägel mit Köpfen macht. Denn dass es eine Katzenschutzverordnung geben soll, steht bereits im Koalitionsvertrag.

Dennoch hat es Jahre gedauert, bis Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Verordnung vorgelegt hat. In der Senatsverwaltung erklärt man das mit rechtlichen Herausforderungen. Damit die Verordnung gerichtsfest ist, habe man zunächst nachweisen müssen, dass in Berlin viele herrenlose Katzen leben und zumindest ein Teil von ihnen krank ist.

Notfalls ins Tierheim: Lassen sich die Besitzer nicht ausfindig machen, bringen Tierschützer Streunerkatzen ins Tierheim.
Notfalls ins Tierheim: Lassen sich die Besitzer nicht ausfindig machen, bringen Tierschützer Streunerkatzen ins Tierheim.

© Kitty Kleist-Heinrich

Denn die neue Regelung greift in die Rechte der Katzenhalterinnen und -halter ein. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Freigängerkatzen unfruchtbar, also entweder kastriert oder sterilisiert sind. Für den Eingriff muss man zum Tierarzt. Eine Kastration kostet beim Kater rund 80 Euro, bei der Katze, bei der die Operation deutlich aufwendiger ist, sind es rund 140 Euro.

Die Pflicht trifft Tiere ab einem Alter von fünf Monaten. Züchter sind ausgenommen, auch Vierbeiner, die eine Narkose gesundheitlich nicht verkraften, bleiben außen vor.

Zudem müssen die Tiere mit einem Mikrochip ausgestattet und registriert werden. Auch das Chippen übernehmen Tierärzte, das Ganze kostet rund 35 Euro. Die anschließende Registrierung bei einem der großen Haustierportale wie Findefix oder Tasso ist dagegen kostenlos.

Machen die Behörden künftig Jagd auf Katzen?

Zuständig für die Kontrolle sind die Veterinärämter der Bezirke. Die hätten sich gewünscht, stärker einbezogen worden zu sein. Doch der Senat hat die Verordnung auf den Weg gebracht, ohne den Rat der Bürgermeister einzubeziehen.

Klar ist: Behördenmitarbeiter werden künftig nicht gezielt freilaufenden Katzen nachjagen. Das sei nicht praktikabel, heißt es.

Sollten aber Tierschützer eine Katze aufgreifen, so können die Behörden künftig die Halter zwingen, das Tier zum Tierarzt zu bringen und es dort unfruchtbar machen zu lassen. Ist das Tier unkastriert und ungechippt, kann das Veterinäramt den Eingriff auch selbst anordnen. Sollten die Besitzer später ermittelt werden, müssen sie im Nachhinein zahlen. Ein zusätzliches Bußgeld für den Verstoß gegen die Kastrations- oder Registrierungspflicht ist jedoch nicht vorgesehen.

[Behalten Sie den Überblick über die Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über Neuigkeiten in Ihrer Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de. ]

Zuständig: Berlins Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne).
Zuständig: Berlins Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne).

© dpa

Andere Kommunen handhaben das anders. In Darmstadt müssen Katzenbesitzer mit einer Geldstrafe von bis zu 1000 Euro rechnen, wenn sie ihr Tier nicht kastrieren und registrieren lassen. Während die Hessen die Peitsche herausholen, arbeitet die brandenburgische Gemeinde Velten mit dem Zuckerbrot: Katzenhalter bekommen 50 Euro Zuschuss zu den Tierarztkosten für die Kastration.

Ob Städte und Gemeinden eine Katzenschutzverordnung erlassen, ist ihnen frei gestellt. Mindestens 880 Kommunen haben jedoch eine solche Regelung bereits auf den Weg gebracht, berichtet der Deutsche Tierschutzbund. Außer Berlin fehlen bislang nur wenige Bundesländer, darunter etwa Hamburg.

Wie in Bremen kontrolliert wird

Dagegen hat Bremen eine entsprechende Verordnung und kann über Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung berichten. Kontrollen, betont die Sprecherin des Senators für Inneres, fänden anlassbezogen statt - "insbesondere, wenn Hinweise von Nachbarn oder dem Veterinärdienst vorliegen". Das Ordnungsamt verlange dann einen Kastrationsnachweis für das Tier von den Halterinnen und Haltern, sagt Rose Gerdts-Schiffler. Ist die Katze nicht kastriert, kann ein Bußgeld von bis zu 500 Euro verhängt werden. "Sanktioniert wurde bislang eine einstellige Anzahl von Fällen", berichtet die Sprecherin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false