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Ganz finster. Ein stadtweiter Stromausfall wäre für viele kranke Berliner schon nach wenigen Stunden lebensbedrohlich.

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Katastrophenschutz in Berlin: Bei Stromausfall bricht in der Stadt das Chaos aus

Wissenschaftler haben untersucht, wie die Berliner gegen einen Blackout gewappnet sind. Für die Feuerwehr wäre ein tagelanger Ausfall die größte Katastrophe - schon nach wenigen Stunden könnte es die ersten Toten geben.

Für die Feuerwehr ist es das schlimmste Katastrophenszenario: Würde tagelang in der ganzen Stadt der Strom ausfallen, bräche nicht nur die öffentliche Ordnung zusammen – für viele Menschen ginge es um Leben und Tod. Katastrophenschutz-Einrichtungen wie Feuerwehr, Polizei und Kliniken „würden sehr stark an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit kommen“, sagte der Leitende Branddirektor Frieder Kircher am Donnerstag bei der Vorstellung einer Studie.

Und schon nach sechs Stunden kann es Tote geben, wie Experten schätzen: Die ersten Opfer wären Patienten, die zu Hause auf Dialyse- oder Beatmungsgeräte angewiesen sind. Und ringsherum herrschte Chaos, weil tausende Menschen in U-Bahnen und Aufzügen stecken, der Verkehr sich vor ausgefallenen Ampeln staut und keine Supermarktkasse mehr funktioniert.

Vattenfall: Die Stadt könnte als Insel versorgt werden

Bisher hat sich Berlins Stromversorgung als sicher erwiesen. Andererseits gilt ein Blackout als durchaus mögliches, von Politik und Behörden lange Zeit unterschätztes Risiko. Berlin ist über drei Höchstspannungsleitungen ans europäische Verbundnetz angeschlossen. Würde dieser Verbund durch eine – technisch nicht abwegige – Kettenreaktion lahmgelegt oder fielen alle drei Leitungen durch Naturereignisse oder Sabotage aus, wäre es „höchst schwierig, das Netz in der Stadt stabil zu halten“, sagten Forscher und Fachleute. Wegen der stark vernetzten Energieversorgung wäre es „alles andere als trivial“, die Kraftwerke am Laufen zu halten.

Nach Auskunft von Vattenfall-Sprecherin Julia Klausch könnten die Berliner Kraftwerke des Konzerns im Winter aber noch gut ein Drittel des Strombedarfs decken, sofern die lokale Infrastruktur intakt sei. Im Sommer wären es nur etwa 20 Prozent, weil viele Heizkraftwerke dann wegen Revision stillstehen. Immerhin könnte die Stadt als Insel versorgt werden; zu den Notfallplänen gehöre sogar ein Konzept, in welchem Rhythmus – etwa im Vierstundentakt – Kieze abwechselnd versorgt würden.

In der Charité und im Rathaus Zehlendorf werden Anlaufstellen erprobt

Vorgestellt wurde eine Bürgerbefragung in drei Bezirken, die als Grundlage für neue Maßnahmen dient. Es geht um „bevölkerungsnahe“ Anlaufstellen, die Bürger in Krisensituationen aufsuchen können. Die Fachleute sprechen von „Leuchttürmen“ des Katastrophenschutzes. Laut Kircher ist eine „dreistellige Zahl“ solcher Einrichtungen im Gespräch, die beispielsweise über Notstromversorgung und besonders ausfallsichere Kommunikationstechnik verfügen sollen. Auch Krisenstäbe der Bezirksämter würden dort tagen. Zusätzlich sind mobile Anlaufstellen in Fahrzeugen angedacht.

In einem Pilotprojekt sollen solche „Leuchttürme“ in der Charité, aber auch im Rathaus Zehlendorf getestet werden, wo Ergebnisse der Befragung von 800 Bürgern erläutert wurden. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht hat die Fragebögen erarbeitet und ausgewertet. Als erster Bezirk hatte sich Steglitz-Zehlendorf dazu bereit erklärt, diese in Bürgerämtern auszulegen, Lichtenberg und Mitte folgten. Die Ergebnisse sollen zur Klärung der Frage beitragen, was die Anlaufstellen leisten müssen.

Notstromanlagen brauchen Diesel-Nachschub

„Mit Notstromaggregaten sind wir gut ausgestattet“, sagte Feuerwehrsprecher Jens-Peter Wilke. Auch Kliniken, Mobilfunkbetreiber und einige öffentliche Einrichtungen hätten Puffer für einige Stunden. Danach dürfte der Kampf um den Energienachschub beginnen, der in Form von Diesel in die Stadt und zu den Generatoren gebracht werden müsste. Nur drei Tankstellen stadtweit hätten einen Anschluss für den Notstrombetrieb; ein eigenes Aggregat besitze keine einzige. Ein Krisenstab müsste also Tankwagen durch die Stadt dirigieren und dabei teils dramatische Entscheidungen fällen: „Sollen im Krankenhaus die Wachkoma-Patienten mit Strom versorgt werden oder im Rathaus der Krisenstab?“, nennt Wilke als Beispiel. In einem Forschungsprojekt namens „Tanknotstrom“ haben Experten von Feuerwehr, Hochschulen und Unternehmen versucht, Regeln aufzustellen.

Bleibt der Strom länger weg, müssten auch die Aggregate der Wasser- und Klärwerke dringend aufgetankt werden. Bei mehr als zwei Tagen Blackout kämen ernsthafte Versorgungsprobleme bei der Masse der Berliner hinzu, weil Lebensmittel ohne Kühlung verderben. Immerhin könnten manche noch kochen: Das Gas kommt nach Auskunft der Netzgesellschaft NBB mit solchem Druck aus Osteuropa an, dass es auch ohne Strom bis in die Wohnung käme. Vielleicht würde eine elektronisch gesteuerte Therme nicht mehr funktionieren – aber der Gasherd ließe sich notfalls mit einem Streichholz anwerfen.

Befragung zum Blackout: Nach vier Tagen wird die Nahrung knapp

Ganz finster. Ein stadtweiter Stromausfall wäre für viele kranke Berliner schon nach wenigen Stunden lebensbedrohlich.
Ganz finster. Ein stadtweiter Stromausfall wäre für viele kranke Berliner schon nach wenigen Stunden lebensbedrohlich.

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Von den 800 Befragten gaben rund drei Viertel an, über Vorräte an Getränken und kalt essbaren Lebensmitteln zu verfügen, die bis zu vier Tage lang reichen dürften. Weniger als ein Fünftel glaubt aber, noch länger auszukommen. 65 Prozent antworteten, regelmäßig Medikamente zu benötigen. Es handelt sich aber nicht immer um lebenswichtige Arzneien. 81 Prozent der Medikamentennutzer schätzen, dass ihre Reserven mindestens sechs Tage lang reichen.

Kerzen oder Taschenlampen besitzen rund drei Viertel der Befragten, Campingkocher sind „nur punktuell“ vorhanden. 64 Prozent haben Batterie-Radios. Smartphones, Tablets oder Notebooks mit Wlan-Zugang gibt es in mehr als 80 Prozent der Haushalte.

Mit dem größten Ansturm müssen Feuerwehr, Polizei und Kliniken rechnen

Falls bei einem Stromausfall das Telefon nicht mehr funktioniert, wollen die meisten Befragten öffentliche Stellen aufsuchen, die als Helfer in Notfällen bekannt sind – darunter Feuerwehr, Polizei, Krankenhäuser oder das jeweilige Bezirksamt. Diesen Institutionen wird die größte Kompetenz zugetraut.

Deutlich geringer ist die Bereitschaft, sich an Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz oder die Caritas zu wenden, nur rund 13 Prozent würden dies „auf jeden Fall“ tun. Noch weniger Befragte würden Nachbarschaftstreffs, Vereine, Stammlokale, Kirchen oder Moscheen aufsuchen – Berliner mit Migrationshintergrund zeigten sich allerdings stärker dazu bereit.

Die Hilfsbereitschaft ist groß

Wer besonders stark unter einem Stromausfall leiden würde, ist auffällig oft dazu bereit, anderen zu helfen – wenn das die eigene Lage nicht stark verschlechtert: Die größte Hilfsbereitschaft äußerten Ältere, Berliner nichtdeutscher Herkunft und Familien mit Kindern.

Rund 97 Prozent antworteten auf die Frage, ob sie um Nachbarn kümmern würden, „auf jeden Fall“ oder „eher ja“. Knappe Güter wie Batterien oder Wasser wollen etwas mehr als 40 Prozent mit Fremden teilen. Unbekannte in der eigenen Wohnung unterzubringen, käme für knapp jeden Fünften in Frage, unter Frauen ist die Zahl geringer. Hilfe für sich erwarten die Befragten vor allem von Verwandten, aber die wohnen oft in anderen Kiezen.

- Mehr zum Katastrophenschutzprojekt unter www.kat-leuchtturm.de.

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