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Berlin: Kaufhäuser sind keine kriminellen Vereinigungen. Sie tun manchmal nur so (Kommentar)

Kaum aus dem Urlaub zurück hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gestern die rhetorische Keule aus dem Sack geholt. "Ein ordentliches Zwangsgeld" werde der Kaufhof bezahlen müssen, wenn er erneut am Sonntag öffnet - so sprach Diepgen einem Sender auf das Band.

Kaum aus dem Urlaub zurück hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gestern die rhetorische Keule aus dem Sack geholt. "Ein ordentliches Zwangsgeld" werde der Kaufhof bezahlen müssen, wenn er erneut am Sonntag öffnet - so sprach Diepgen einem Sender auf das Band. Das soll stark klingen, ist aber schwächlich. Das erste Zwangsgeld ist schließlich längst verhängt, und erwartungsgemäß ist das Kaufhaus mit seinem Vorstoß dagegen gestern vor dem Verwaltungsgericht peinlich gescheitert. Das Gericht hat das "negative Vorbild" gestoppt.

Nun sind die Aufständischen doch kleinlaut geworden. Wenn das Oberverwaltungsgericht ihnen nicht im letzten Moment noch freie Fahrt gibt, blasen sie die nächste Sonntags-Revolution ab. Es wäre auch verblüffend, wenn der vorsätzliche, provozierende, wiederholte und beharrliche Verstoß gegen ein Gesetz folgenlos bliebe. Wo bliebe er das sonst? Wer von uns kann ungestraft und vor aller Augen demonstrieren, ihn ginge ein Gesetz nichts an. Denn wir haben gar keine Revolution. Wir haben nur ein paar Revoluzzer hinterm Ladentisch.

Die Konkurrenten des Kaufhofs aus verschiedenen Ecken der Stadt haben sich inzwischen des Wettbewerbsrechts bedient, um dem Kaufhaus den unbeschränkten Sonntagsverkauf zu verbieten. Wenn es nach ihnen geht und das Landgericht ihnen bis zum Wochenende folgt, dann würde der Kaufhof auch Damen- und Herrenbekleidung, Drogerieartikel oder Gardinen nicht mehr verkaufen können. Die Geldbußen, die bei Verstößen drohen, sind dann hoch. Rechtsbruch soll sich nicht lohnen, ist ein Grundsatz des Wettbewerbsrechts.

Aber Rechtsbruch soll sich natürlich überhaupt nicht lohnen. Ein Kaufhaus ist schließlich keine kriminelle Vereinigung. Dass die Berliner Behörden am vorigen Sonnabend und Sonntag noch ein Auge zugedrückt und das aufsässige Haus nicht gleich zugemacht haben, lässt sich begründen. Es war eben eine Provokation, eine Art von konsumtechnischer Hausbesetzer-Aktion oder, wie Anhänger des Ganzen glorifizierend sagen, ein Akt "zivilen Ungehorsams". Da ist der große Knüppel unverhältnismäßig.

Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass das Landesamt einen Konsumtempel bei beharrlichen Rechtsverstößen auch schließen kann. Es hätte dem Landesamt und dem Regierenden Bürgermeister also gut angestanden, wenn sie dem Kaufhaus für die kommenden Sonntage unmissverständlich klar gemacht hätten: Zwangsgelder sind nur für das erste Mal. Dann wird notfalls zugemacht. Denn für das Publikum ist der Eindruck immer verheerend, dass es nur von der Finanzkraft abhängt, ob man ein Gesetz befolgt oder nicht.

Hans Toeppen

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