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 An den Mauersegmenten, die am Potsdamer Platz zur Erbauung eiliger Touristen aufgestellt sind, kleben Kaugummis. Viele Kaugummis!

© Lars von Törne

Kaugummis am Potsdamer Platz: Eine Sitte der anderen Art

An den Mauersegmenten am Potsdamer Platz kleben Kaugummis. Viele Kaugummis! Doch was bedeutet diese Sitte? Eine Glosse.

Manchmal macht irgendjemand was Blödes. Und die anderen schauen sich das an, manche sagen: Ist das blöd! Andere machen es einfach nach – und sind dann plötzlich in der Mehrheit. So war es mit der Sitte, an Gittern von Brücken und Ähnlichem gravierte Vorhängeschlösser anzubringen, um die Stabilität der Liebe zu festigen. Einer fängt an, Millionen machen es nach, und inzwischen wird man wohl vermuten dürfen, dass die weltweite Vorhängeschlossindustrie mehr Umsatz mit Liebespaaren als mit Spindtüren macht.

Kommen wir zum Kaugummi. Sein zentrales Problem: Ist er durchgekaut, muss er weg, und daraus ergab sich eine betonharte Schicht auf den Gehwegen der Welt, ausgenommen eventuell Singapur, wo deshalb Peitschenhiebe verhängt werden. Oder reißen sie den Tätern die Zähne raus?  Egal: Die Welt sucht nach einem finalen Ziel für den durchgekauten Gummi, das auch jenen einleuchtet, die zu doof zum Müllbehältersuchen sind oder an den Sitz des Vordermanns von unten nicht rankommen.

Künstlerischer Gestaltungswillen erkennbar

Kann sein, wir haben da was. An den Mauersegmenten, die am Potsdamer Platz zur Erbauung eiliger Touristen aufgestellt sind, kleben Kaugummis. Viele Kaugummis! Schön trockenstarr, viele in bunten Farben, manche auch dem Untergrund angepasst in 50 Schattierungen von grau. Viele wirken einfach nur so hingepappt, andere lassen einen gewissen Gestaltungswillen erkennen, sie ließen sich als Graffiti light interpretieren, ausgeführt von jenen Kleinkünstlern, die grad keine Farbe dabei haben oder noch auf Bewährung sind.

Soweit die Oberfläche. Aber was bedeutet diese Sitte? Ist sie einfach blöd? Oder wartet sie darauf, dass wir ihr einen Sinn verleihen? Hier: Wer dort seinen Kaugummi anklebt, der kehrt bald nach Berlin zurück, das ist wie mit den Münzen im Brunnen Fontana di Trevi in Rom. Jetzt fehlt nur noch eine Methode, ein Vorhängeschloss dranzumachen.

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