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Berlin: Kaum Jobs – weniger Mitglieder

Die Gewerkschaften rufen das „Projekt Trendwende“ aus. Sie brauchen dringend Nachwuchs

Den Gewerkschaften laufen die Mitglieder davon. Der Trend ist nicht neu, aber so besorgniserregend, dass der DGBChef Michael Sommer das „Projekt Trendwende“ ankündigte. Auch in Berlin und Brandenburg wird in den Vorständen des Deutschen Gewerkschaftsbundes intensiv darüber diskutiert, wie man trotz hoher Arbeitslosigkeit, frustrierender Tarifabschlüsse und interner Konflikte neue Mitglieder gewinnen kann.

Die Zahlen sind ernüchternd: Anfang der neunziger Jahre hatte der DGB-Landesbezirk Berlin-Brandenburg noch über 950 000 Mitglieder. Inzwischen sind es weniger als 490 000. Davon sind 48 Prozent in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisiert. Die Industriegewerkschaften repräsentieren nicht einmal mehr ein Drittel der Mitglieder. Und die Gewerkschaften sind überaltert. Knappe fünf Prozent der organisierten Arbeitnehmer sind „jugendliche Mitglieder“. Wobei einige Gewerkschaften auch 35 Jahre alte Kollegen noch zur Jugend zählen. Immerhin sind 44 Prozent der DGB-Mitglieder in Berlin und Brandenburg weiblich. Damit liegt der Frauenanteil weit über dem Bundesdurchschnitt.

Wer arbeitslos wird, sagt der Organisationsexperte des DGB-Landesbezirks, Andrew Walde, verlässt meistens die Gewerkschaft. „Bei denen, die noch Arbeit haben, hat sich der Anteil der organisierten Gewerkschafter in den vergangenen Jahren kaum verändert“. Allerdings verbreite sich auch bei den Arbeitnehmern das Gefühl, „dass die Gewerkschaften nicht mehr viel für sie tun können“.

Und wie überall in der Gesellschaft, gibt Walde zu bedenken, spiele der „Solidaritätsgedanke“ eine immer geringere Rolle. Die meisten Menschen seien nicht mehr bereit, sich in den Parteien, großen Verbänden und Kirchen zu engagieren. „Da machen die Gewerkschaften keine Ausnahme.“ Immer schwieriger wird es auch, junge Mitglieder zu gewinnen. Das liegt nicht nur am altmodischen Image der Gewerkschaften, sondern auch an der Ausbildungssituation. In den überbetrieblichen Ausbildungsstätten besteht kaum eine Chance, leibhaftige Gewerkschafter kennen zu lernen. So sind bei der Eisenbahnergewerkschaft Transnet nur noch 2200 Azubis organisiert. Anfang der neunziger Jahre waren es 7800.

„Wenn Wegert oder Lidl in die Krise geraten, kriegen wir kurzfristig Zulauf“, sagt Verdi-Sprecher Andreas Splanemann. Das hilft auf die Dauer auch nicht. Allmählich dämmert es gewerkschaftsintern – Veränderung tut Not: Mehr Service, neue Werbemethoden, mehr Fachseminare anstatt politischer Bildungsarbeit, attraktivere Beitragsstrukturen. Aber es ist auch zu hören: Das kann dauern, bis sich spürbar was ändert. za

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