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In guten Händen? Nach dem durch Keimbefall in der Charité verursachten Tod eines Babys sind die Eltern der kleinen Patienten an der Universitätsklinik in Sorge. Seit Montag ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.

© picture alliance / dpa

Update

Keim-Epidemie auf Frühchen-Stationen: Kriminalisten sichern Unterlagen in der Charité und im Herzzentrum

Ein Baby ist tot, weitere sind erkrankt - und jetzt sind die Kriminalisten am Zug. Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja kritisiert unterdessen scharf die Informationspolitik der Charité - auch, weil jetzt bekannt wurde, dass weitere Babies infiziert wurden.

Von Sandra Dassler

Die Staatsanwaltschaft sichtet jetzt die Papiere der Charité. Sie sichert Unterlagen zu der Darmkeim-Infektion auf mehreren Frühgeborenenstationen. Dort soll sich ein neugeborenes Kind mit einem Serratien-Keim infiziert haben, an dem es starb, nachdem es am Herzzentrum operiert worden war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt. „Bei uns sind die Kriminalbeamten seit Donnerstag früh“, sagte die Sprecherin des Herzzentrums, Barbara Nickolaus. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, bestätigte, dass es sowohl für die Charité als auch für das Herzzentrum einen entsprechenden richterlichen Beschluss gibt. Charité-Sprecherin Manuela Zingl sagte, dass bereits am Mittwoch entsprechende Akten an die Staatsanwaltschaft übergeben wurden. „Wir sind da selbstverständlich kooperativ“, sagte sie. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hat die Informationspolitik der Charité scharf kritisiert: „Es ist einfach ungeheuerlich, dass die Eltern des Babys erst jetzt durch die Ermittler der Staatsanwaltschaft erfahren, dass es ihr Kind ist, über das die Medien seit Tagen berichten“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Begründung der Charité, man habe mit der Familie deshalb keinen Kontakt aufgenommen, weil sich diese in einer schwierigen Trauerphase befände, könne er nicht nachvollziehen. Außerdem kritisierte der Senator, dass die Charité das Herzzentrum, wohin der später verstorbene Säugling am 3. Oktober zu einer Notoperation gebracht wurde, nicht über den damals schon bestehenden Verdacht auf einen Keim-Befall informierte. Zwar habe man noch nicht gewusst, dass so viele Kinder auf den Frühgeborenenstationen betroffen waren, aber einige waren ja schon erkrankt. Aus diesem Grund habe man ja auch bei dem später verstorbenen Baby am 3. Oktober einen Abstrich gemacht. Die Bestätigung, dass das Neugeborene mit Serratienkeimen infiziert war, kam am 8. Oktober. An diesem Tag holten die Eltern die Leiche ihres am 5. Oktober verstorbenen Kindes aus dem Herzzentrum ab. Mit dem Wissen, dass es infiziert war, hätte man schon damals eine Obduktion empfohlen. Ob diese jetzt noch Sinn macht, entscheidet gerade ein Rechtsmediziner. „Auch das ist eine große Belastung für die Eltern“, sagte Czaja. Das Baby war bereits am 12. Oktober bestattet worden. Vor allem aber hätte die Charité durch bessere Information vielleicht weitere Ansteckungen vermeiden können, sagte Czaja. So hatte sich im Herzzentrum ein ebenfalls am 3. Oktober operierter Neugeborener, der im Bett neben dem später verstorbenen Kind lag, mit dem Keim infiziert. Er ist inzwischen wieder gesund. Laut Bezirk Mitte wurden im Herzzentrum seit Infektionsausbruch insgesamt fünf Babys angesteckt. Die Lage sei aber jetzt „stabil“. Trotz der Vorfälle hält der Gesundheitssenator die neue Hygieneverordnung des Landes für ausreichend. Zugleich informierte er gestern darüber, dass Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sich am heutigen Freitag mit Vertretern des Herzzentrums und der Charité treffen will.

Den betroffenen Kindern im Virchow-Klinikum gehe es gut, sagte Charité-Sprecherin Manuela Zingl. Neue Fälle seien nicht aufgetreten. Eltern von betroffenen Kindern berichten, dass sich die Sicherheitsmaßnahmen auf der Station sehr verbessert hätten. „Früher hatte nicht jeder einen Mundschutz um“, so ein Vater: „Jetzt hat sich das geändert – und es tragen auch alle Kittel.“ Auch die Information der Eltern habe sich verbessert: „Bevor die Öffentlichkeit informiert wurde, hat uns ja keiner gesagt, womit unsere Kinder eigentlich infiziert sind.“ Der Bezirksbürgermeister und Gesundheitsstadtrat von Mitte, Christian Hanke, hat am Donnerstag Kritik an der Arbeit des Gesundheitsamtes zurückgewiesen. Das Amt komme seinem gesetzlichen Auftrag umfänglich nach und sei darüber hinaus besonders engagiert bei der Bekämpfung multiresistenter Erreger. Gestern nahm der neugebildete bezirkliche Krisenstab zu den Infektionen seine Arbeit auf. Er soll das Gesundheitsamt im Einsatz gegen die Keime unterstützen. Zu diesen gehören die Serratienkeime glücklicherweise nicht – sie können gut mit Antibiotika behandelt werden. Laut Gesundheitsverwaltung hat es in diesem Jahr bereits 27 solcher Ausbrüche an verschiedenen Einrichtungen gegeben.

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