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Berlin: Kein Fall fürs Pflegeheim

Sie leben hier, weil sie zu jung sind für die Altenbetreuung: Im „House of Life“ wohnen Kranke, die sich nicht mehr selbst helfen können

Daniel Schwarzers Zimmer sieht fast aus wie eine Studentenbude. Ein Regal mit ein paar Büchern, Spielen, ein Schrank, ein Tisch am Fenster, bunte Bettwäsche und jede Menge Poster. Nur ein roter Rufknopf neben der Tür für die Krankenschwester deutet darauf hin, dass dieses Zimmer sich an einem besonderen Ort befindet. Schwarzer ist HIV-positiv und seit einem Jahr pflegebedürftig. Er wohnt im „House of Life“, einer Pflegeeinrichtung der Förderung sozialer Einrichtungen (FSE), die sich auf die Betreuung von jungen Menschen spezialisiert hat. Jung, das heißt hier zwischen 22 und 55. Zurzeit hat das Haus rund 100 Bewohner, die beispielsweise infolge von Unfällen, HIV- oder Krebserkrankungen oder durch Drogenkonsum pflegebedürftig wurden.

Die Idee für ein solches Haus ist in einem Altenpflegeheim des gleichen Trägers in Marzahn entstanden: „Damals kam ein 32-jähriger HIV-Patient zu uns, den keine andere Einrichtung wollte“, sagt die Krankenschwester Romy Arnhold. Er war zu jung für die Heime, in denen vor allem alte Menschen gepflegt werden. Nach und nach seien dann immer mehr Anfragen für junge Menschen gekommen. Es fing an mit sechs Betten, dann war es eine Etage und schließlich kam die Entscheidung, ein eigenes Haus in der Blücherstraße zu eröffnen. „Wenn junge Menschen umringt von alten in Pflegeheimen liegen, dann bauen sie oft sehr schnell ab“, sagt Thomas Erben vom Förderverein. Im „House of Life“ hingegen „soll die Dynamik von jungen Leuten Platz haben, damit sie ihren Bedürfnissen entsprechend gefördert werden.“

Vor einem Jahr lag Daniel Schwarzer in seiner Wohnung, so schwach, dass er nicht einmal mehr aufstehen konnte. Damals wollte er auf keinen Fall in ein Pflegeheim. Nach dem Tod seiner Frau, die ebenfalls an Aids erkrankt war, hatte er jeden Lebensmut verloren. Romy Arnhold, heute Pflegedienst-Chefin des „House of Life“ wurde auf ihn aufmerksam: „Wenn wir damals nicht gehandelt hätten ...“ „Dann wär ich tot!“, unterbricht Schwarzer sie.

Heute kann der 42-Jährige auf eine Krücke gestützt durchs Haus laufen und sich wieder um seine Katze kümmern. Vorher war er ein halbes Jahr in dem Marzahner Pflegeheim. Aber er findet, „hier ist es besser, weil man mehr machen kann.“ Zum Beispiel geht er gern ins „Café Bohne“, das von so genannten Zeitschenkern betrieben wird. Das sind die ehrenmatlichen Mitarbeiter des FSE-Fördervereins, die im Konzept des „House of Life“ besonders berücksichtigt sind. Sie kümmern sich individuell um die Bewohner und helfen dabei, das Kulturangebot zu erweitern.

Daher auch der Name: Ein Haus des Lebens soll es sein, in dem Kranke nicht von der Gesellschaft isoliert werden, sondern vielleicht sogar einen Weg zurück zur Familie oder in betreute Wohnungen gehen können. „Einige bleiben für immer hier und wir begleiten sie bis zum Tod“, so Arnhold. Daniel könnte sich aber schon vorstellen, in eine betreute WG zu ziehen. Romy Arnhold wiegt den Kopf: „Ich hoffe, dass es uns gelingt. Das ist unser Hauptanliegen, denn niemand verdient, in so jungen Jahren in einem Pflegeheim zu sein.“

Sandra Stalinski

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