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Sieht gar nicht übel aus, oder? Ja, mag sein, es darf nur nicht tauen. 2011 gab’s zuletzt Geld für den Platz.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kein Geld fürs Grün: Matsch statt Blütenpracht in der Hauptstadt

Jetzt weißgrauer Schnee, bald nur noch Schlamm: Die Wiese vor dem Reichstag verkommt - bei Tauwetter droht eine Sumpflandschaft. Und nicht nur dort verdorren in diesem Jahr die Beete und Gärten Berlins.

Noch ist der Boden gefroren. Noch verhüllt die Schneedecke auf der Wiese vor dem Reichstag den hässlichen Anblick, den der Rasen bei Tauwetter bald bieten wird. „Dann verwandelt sich der Platz der Republik wieder in eine Sumpflandschaft“, sagt der Chef des Grünflächenamtes in Mitte, Harald Büttner. Denn 2011 haben sich die Bezirksgärtner letztmals um die 37 000 Quadratmeter große Wiese gekümmert. Ende der 90er Jahre wurde sie als „Ort des Souveräns, des Volkes“ angelegt. Seither fliegen dort im Sommer die Frisbees, picknicken und spielen auf dem Rasen tausende Touristen und Berliner mitten im Regierungsviertel. Doch der Spaß wird ab Frühjahr 2013 getrübt sein. Der Platz verkommt. Es fehlt das Geld für die Pflege.

Die Reichstagswiese ist aus Harald Büttners Sicht eines der „eklatantesten Beispiele“ für den stiefmütterlichen Umgang Berlins mit seinem Stadtgrün. Aufgrund der leeren Bezirkskassen bleiben Beete unbepflanzt und Rasenflächen ungepflegt. Für den Platz der Republik gab der Bezirk Mitte 2011 rund 40 000 Euro aus. Auftragsfirmen rückten dafür mit Vertikutiermaschinen an, lockerten den Boden auf, belüfteten die Krume, brachten Nährstoffe ein und regten so das Gras zu Wachstum an. Außerdem schnitten sie die Hecken, die den Platz umrahmen.

Diese jährlichen Wohltaten für die Reichstagswiese sind unerlässlich. Als Touristenattraktion wird sie extrem strapaziert, der Boden wird festgetreten und verdichtet. Da bereits im vergangenen Jahr nichts dergleichen mehr geschah, ist der Untergrund teils bretthart, der Rasen verkrautet. Auch 2013 soll es keine Pflege mehr geben. Klettern die Temperaturen in den kommenden Wochen wieder über den Nullpunkt, kann das Tau- und Regenwasser nicht versickern. Es wird sich auf der Oberfläche stauen, die Erde weicht auf, Besucher waten dann durch Pfützen und Matsch.

Mitte konnte 2005 noch 5,8 Millionen Euro für Grünpflege, Spielplatz- und Wegebau ausgeben. Ein Jahresetat von 1,6 Millionen Euro ist geblieben. Viele Mitarbeiter mussten gehen. Berlinweit haben die Gartenämter noch rund 1700 Kräfte zur Verfügung, ihr Personal hat sich seit 2000 halbiert. Angesichts der Finanznot habe man sich 2012 in Mitte zu einer Streichliste durchgerungen, sagt Amtschef Büttner. Selbst prominente Lagen wie der Platz der Republik und die sogenannten „Klasse 1“-Beete blieben nicht verschont. Zu den bislang bevorzugten Blickfängen gehören die Blumenrabatten am Pariser Platz, auf der Luiseninsel im Tiergarten, am Lustgarten und auf der Museumsinsel. Inzwischen werden dort keine Tulpen- und Narzissenzwiebeln mehr gesteckt und Sommerblumen gepflanzt. „Diesen Luxus können wir uns nicht mehr leisten“, heißt es im Rathaus.

Ähnlich grau wird der Frühling diesmal auch anderswo beginnen. Spandau fehlt Geld für Blumenkübel in der Altstadt, in Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg oder Treptow-Köpenick wird die einstige Blütenpracht auf den Straßen-Mittelstreifen verschwunden sein, Pankow hat die Bepflanzung „auf ein Minimum“ reduziert. Selbst Angela Merkel dürfte beim Blick aus dem Kanzleramt keine Freude mehr haben. Nicht nur die Reichstagswiese, auch die vielen Beete zwischen den Regierungsgebäuden sehen bald öde aus. Sie werden nicht mehr neu bepflanzt.

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