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Berlin: Kein Land mehr, nur noch Hauptstadt

Erst wenn Berlin Teil von Brandenburg ist, wird der Weg frei für den Bund, die deutsche Metropole zu finanzieren/Von Richard Schröder

„Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehen durch Bundesgesetz, das der Bestätigung durch Volksentscheid bedarf“, heißt es in Art. 29 des Grundgesetzes. Der Einigungsvertrag hat festgelegt, dass sich die Länder Berlin und Brandenburg ohne Bundesgesetz vereinigen dürfen. Der Versuch ist gemacht worden und – gescheitert. Der Volksentscheid ergab zwar in Berlin, nicht aber in Brandenburg die notwendige Mehrheit. Das hatte eine Reihe von Gründen. Die aus DDRZeiten stammenden Vorbehalte der Brandenburger gegenüber den Berlinern spielten eine Rolle, der (verfehlte) Analogieschluss von den Schwierigkeiten der deutschen Vereinigung auf diese Vereinigung (“bloß nicht noch eine Vereinigung“), die Sorge, von den Berlinern dominiert zu werden, aber auch das damals bereits offenbar werdende Milliardenloch im Berliner Haushalt. Die Brandenburger PDS hatte die Vorbehalte der Brandenburger wirksam gepflegt.

Sowohl Berlin als auch Brandenburg bereiten sich auf einen zweiten Anlauf zur Fusion vor. Was spricht dafür? Aus zwei Miniländern würde ein Land von mittlerer Größe. Man würde eine Landesregierung sparen. Die Brandenburger PDS ist nicht mehr grundsätzlich gegen eine Fusion. Aber ein beachtlicher Teil der Berliner Verwaltung würde als Verwaltung der Stadt Berlin fortexistieren, der Spareffekt wäre nicht riesig. Die Berliner Finanzmisere hat sich seitdem noch erheblich vergrößert. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Aus zwei Armen wird kein Reicher. Ehe sie nicht gelöst ist, ist ein zweiter Versuch ziemlich sicher zum Scheitern verurteilt.

Es gibt noch einen ganz anderen Grund für die Fusion von Berlin und Brandenburg, den nämlich, dass es für alle besser ist, wenn Berlin seinen Status als Bundesland verliert. Dann könnte nämlich der Sonderstatus von Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland besser begründet und ausgestaltet werden. Der Länderfinanzausgleich ist ungeeignet für eine solide und angemessene Grundfinanzierung der Hauptstadt Deutschlands, da er an Gleichbehandlung aller Teilnehmer orientiert ist. Und ein bloß ergänzender Hauptstadtvertrag erweckt immer auch den Neid der anderen Ländern.

Berlin war nie ein Stadtstaat und hat als Stadtstaat keine Zukunft. Auch nach 1871 war Berlin zuerst Hauptstadt Preußens, des mit Abstand größten und reichsten Landes Deutschlands. Das hat Berlin ernährt, so wie München als Bayerns Hauptstadt seinen Glanz entfaltet hat. Das Land Berlin ist bloß ein Nachhall des Viermächtestatus von 1945. So wenig Berlin, inzwischen in West und Ost weitgehend deindustriealisiert, sich selbst finanzieren könnte, so wenig könnte es als Stadt des Landes Brandenburg von diesem finanziert werden. Denn Brandenburg ist nicht Preußen, eher immer noch „des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“.

Wenn aber eine Fusion Berlin nicht finanziert, warum dann nicht Berlin wie Washington zur Bundeshauptstadt machen, die keinem Land angehört? Weil sich das nicht mit der föderalen Ordnung der Bundesrepublik reimt. „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“, heißt es in Art. 30 des Grundgesetzes. In Berlin müsste der Bund diese Funktionen der Länder übernehmen, also z.B. eine eigene Polizei und eigene Hochschulen unterhalten. Soll dann der Bundestag als Landesgesetzgeber für Berlin auftreten? Und wenn Berlin keinem Bundesland angehört, können die Berliner auch kein Landesparlament mehr wählen, sie wären also auch nicht im Bundesrat vertreten. All diese Probleme werden vermieden, wenn die Berliner Bürger des Landes Brandenburg sind, das übrigens dann am besten seinen Namen behält und nicht zu „Berlin-Brandenburg“ wird. Wenn Berlin die höhere und einzigartigere Ehre der Bundeshauptstadt, verfassungsrechtlich garantiert, zukommt, muss es seinen Namen nicht auch noch im Namen dieses Bundeslandes verewigen zur Erinnerung daran, übergangsweise ein klägliches Bundesland gewesen zu sein.

Das allerdings wäre dann notwendig: ein Verfassungsartikel, der den Bund und die Länder darauf verpflichtet, ihre Bundeshauptstadt zu unterhalten. Ohne eine solche Garantie würde auch der zweite Anlauf für eine Fusion scheitern. Denn die Brandenburger werden einer Fusion nur zustimmen, wenn sie dadurch nicht ärmer werden.

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