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Berlin: Kein Phoenix ohne Asche

Seit zwei Tagen sind die Berliner Symphoniker arbeitslos – jetzt organisieren sie sich privatwirtschaftlich

Das neue Logo ist grasgrün und sieht aus wie eine Mischung aus olympischen Ringen und Handschellen, das Plakat für das Benefizkonzert, das Kent Nagano und das Deutsche Symphonie-Orchester im November für sie gaben, zierte eine Geigenschnecke, aus der heraus sich eine kämpferische (Arbeiter-)Faust ballte. Die aktuelle Konzertvorschau bis Januar zeigt, Krimi reif, die Kreideumrisse eines (heimtückisch ermordeten?) Cellos auf Berliner Kopfsteinpflaster – und überhaupt lassen sich die Berliner Symphoniker gerade ziemlich viel einfallen. Der Zeitpunkt allerdings ist staunenswert. Seit 1. Dezember nämlich befindet sich das Orchester offiziell in der Insolvenz. Das heißt: Die rund 55 Musikerinnen und Musiker, deren Arbeit sich das Land Berlin partout nicht mehr leisten konnte oder wollte (der Tagesspiegel berichtete kontinuierlich), sind arbeitslos.

Stempeln gehen statt reisen also, mickrige „Mucken“ statt ausverkaufter Häuser und garantiert aussichtslose Probespiele im Rest der Republik? Das muss nicht sein, sagten sich Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma und der nimmermüde Andreas Moritz, ehedem Orchestervorstand und seit zwei Tagen neuer Geschäftsführer – und gründeten die „Berliner Symphoniker gemeinnützige GmbH“. Das heißt: Die Berliner Symphoniker werden, wenn alles gut geht, als erste privatwirtschaftliche Kulturinstitution in Berlin fortgeführt. Ein Coup.

Auf einer Pressekonferenz im Kempinski-Hotel am Ku’damm erläuterte Köhler-Ma, wie das in Zukunft aussehen soll. So wurde mit den Musikern bis zum Ende der laufenden Saison 2004/2005 eine „Rahmenvereinbarung“ getroffen, die zusichert, dass diese auch als Arbeitslose weiter zur Verfügung stehen. Für alle restlich verbliebenen oder neu zu aquirierenden Auftritte des Orchesters (Tourneen in die Schweiz und nach Italien sind bereits fest gebucht, mit Griechenland wird noch verhandelt) werden die Musiker sozialversicherungspflichtig pro Kopf pro Konzert bezahlt. Allein diese in Kulturkreisen durchaus übliche Maßnahme – man höre und staune! – lässt das Budget von ehedem gut drei Millionen Euro auf ein Zehntel schrumpfen: Mehr als 300000 Euro, so Köhler-Ma, würden nicht benötigt, um die aktuelle „Durststrecke“ bis kommenden Sommer zu überwinden. Wo dieses flüssige Geld herkommen soll? Aus den Benefiz-Erträgen der jüngeren Vergangenheit (darunter die Spende von Ex-Bundespräsident Johannes Rau sowie die Aktivitäten des DSO und der Philharmoniker), aus eigenen Einnahmen und aus neuen Spenden.

Spätestens im Frühjahr aber muss greifen, woran seit September gearbeitet wird: Ab der Saison 2005/06 soll das Konzertaufkommen der Symphoniker signifikant erhöht werden. Einerseits sichert das größere Einnahmen, andererseits steigert es die Attraktivität für einen dringend zu findenden „major partner“ in Sachen Sponsoring. Man sei in Verhandlungen, ließ Andreas Moritz wissen, „aber noch zu haben“. Eine „corporate identity“ wie zwischen den Philharmonikern und der Deutschen Bank schwebe ihnen vor, ein potentes Gegenüber eben, das es auf seine Weise verstehe, „Menschen, die Schönes lieben“, an sich zu binden.

Mag der Weg vom gebeutelten Subventionsempfänger zum souveränen Dienstleister auch noch weit und steinig sein: Die neuen alten Symphoniker gehen ihn mit Leidenschaft – und Witz. „Kein Phoenix ohne Asche“ lautet der Slogan zu ihrem Spendenaufruf.

Spenden an die Berliner Symphoniker: Berliner Bank, Konto 17 22 13 23 01, BLZ 100 200 00

Christine Lemke-Matwey

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