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Berlin: Kein Platz für Künstler

Das Land will das Weddinger Rotaprint-Areal veräußern. Die Bewohner haben als Käufer keine Chance

Einen prominenten Fürsprecher haben die Künstler gewonnen: Thomas Flierl (Linkspartei/PDS). Der ehemalige Kultursenator und jetzige Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses sorgt sich um das einstige Rotaprintgelände und die dort beheimateten Künstler, den sozialen Verein und die kleinen Betriebe. Das in zwei Hälften geteilte Gelände des ehemaligen Druckmaschinenherstellers in Wedding ist Teil des Immobilienpakets, das der Liegenschaftsfonds des Landes verkaufen will. „Dieses Paket ist prinzipiell fragwürdig, aber diese beiden Grundstücke müssen rausgelöst werden, weil sonst der Bestand dort in Gefahr ist“, sagt Flierl.

Die Künstler befürchten, dass ein künftiger Eigentümer in das Gelände entweder nicht investiert oder es teuer saniert. „Beides wäre das Ende für unsere Ateliers und die Vereine hier“, sagt Paola Neumann. Sie ist Malerin und hat ihr Atelier in der Wiesenstraße 29, einer ehemaligen Werkshalle. Die Künstler wollen das Grundstück kaufen. „Aber nicht für den vom Liegenschaftsfonds ermittelten Verkehrswert, denn der ist mit 590 000 Euro viel zu hoch“, sagt Florian Schöttle, Berater der Künstler. Sie boten dem Land 130 000 Euro. „Diese Summe nannte Kulturstaatssekretär André Schmitz in einer aktuellen Stunde des Kulturausschusses, und darauf beziehen wir uns“, sagt Paola Neumann. Allerdings sei der Fonds nicht bereit, mit den Künstlern zu verhandeln. „Man behauptet, die Künstler könnten nicht mal die Miete zahlen“, sagt Schöttle.

Fonds-Sprecherin Irina Dähne widerspricht: „Den Verkehrswert hat ein unabhängiger, seriöser Gutachter ermittelt. Was die Künstler geboten haben, ist fernab jeglicher marktwirtschaftlichen Realität.“ Der Bezirk Mitte hatte das Objekt an den Liegenschaftsfonds zum Verkauf übertragen. Doch inzwischen vollzog sich dort ein Gesinnungswandel: Zusammen mit dem Atelierbeauftragten des Landes setzt man sich für die Künstler, gegen den Paketverkauf ein. Der Liegenschaftsfonds will sich von den Häusern trennen, weil in den nächsten Jahren weitere 250 000 Euro in die Instandsetzung gesteckt werden müssten. Für 230 000 Euro sei bereits das Dach saniert worden. Als Mieteinnahmen werden in diesem Jahr 78 000 Euro erwartet.

Gestern gab es eine Anhörung im Abgeordnetenhaus zum Thema. Während in der Linkspartei/PDS-Fraktion für die Herauslösung des Grundstückes aus einem Paket von ingesamt 45 zum Verkauf stehenden Objekten votiert wird, lehnen Finanzpolitiker der SPD eine solche Ausnahmeregelung ab. Jutta Matuschek (PDS) sagte: „Wir werden auch weiterhin mit dem Koalitionspartner über Möglichkeiten reden, die Immobilie aus dem Paket herauszulösen.“ Bei den Finanzpolitikern der SPD stößt sie dabei auf taube Ohren: „Dafür gibt es keine nachvollziehbaren Gründe“, sagte Stefan Zackenfels aus dem SPD-Arbeitskreis Finanzen. Ohne Gegenstimmen habe man sich in dem Kreis für den Paketverkauf ausgesprochen.

Der Sprecher der Künstlergruppe, Jörg Bürkle, sagte dagegen nach der Sitzung: „Es scheint allen klar geworden zu sein, dass die Fortführung der Ateliers die wirtschaftlichste Nutzung ist.“ Die Künstler hatten auf die Belastung der Grundstücke aus der jahrelangen industriellen Nutzung hingewiesen. Bei einem Abriss, der bei einem Verkauf der Liegenschaft im Paket an einen Investor sicher bevorstehe, werde die Beseitigung der Gifte mindestens den Kaufpreis verschlingen.

Der Chef des Liegenschaftsfonds sagte dagegen, dass ein Verkauf des Grundstückes unter dem Verkehrswert von 590 000 Euro nicht zulässig sei. Holger Lippmann hält allenfalls eine Herauslösung des Grundstückes aus dem Paket für denkbar. Doch dann „würde Berlin auf den Kosten für die bauliche Unterhaltung und auf den Altlasten sitzen bleiben“. Nach Angaben der Finanzverwaltung gibt es zudem für die Ateliers Ausweichquartiere - in Pankow, in Lichtenberg und in Neukölln. Alternativ wolle man den Mietern anbieten, ihre Verträge für fünf Jahre zu den bisherigen Bedingungen zu verlängern. Diesen Passus werde man in einem Kaufvertrag festlegen. ctr/ball/kt

Das 1904 als Deutsche Maschinen Vertriebsgesellschaft gegründete Unternehmen Rotaprint zog 1920 auf das Areal zwischen Reinickendorfer, Bornemann- und Uferstraße. Über 30 Modelle für Offsetdruck und Vervielfältigung wurden in Wedding produziert und in 80 Länder exportiert. Ende der achtziger Jahre ging die Firma in Konkurs. Tsp

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