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Berlin: Kein Schlupfloch im Tarifgefüge

Gewerkschaften und Tarifgemeinschaft der Länder reagieren zurückhaltend auf Senatspläne

Die Chancen des Senats sind gering, dass die Arbeitgeber und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes im Bund der Hauptstadt entgegenkommen. Zum Beispiel mit Öffnungsklauseln in Tarifverträgen oder einer Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes, damit Berlin die angestrebten Kürzungen von Einkommen und Arbeitszeiten auf Landesebene durchsetzen kann. Aus gutem Grund habe der Bund in den siebziger Jahren die Besoldungshoheit für die Beamten an sich gezogen, sagte der Sprecher des Deutschen Beamtenbundes, Rüdiger von Woikowsky. Sollten die Länder wieder in die Lage versetzt werden, die Beamtengehälter eigenverantwortlich festzulegen, werde dies zu Wettbewerbsverzerrungen führen. „Dann kaufen die reichen Ländern den armen Ländern die guten Leute im öffentlichen Dienst weg; zum Beispiel die Lehrer.“ Der Beamtenbund sei strikt dagegen. Eine Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes im besonderen Interesse Berlins steht auch nicht auf der Tagesordnung.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat ebenfalls besseres zu tun, als sich um die Auflösung der Flächentarifverträge zu kümmern. Berlin ist nicht einmal Mitglied der Tarifgemeinschaft, sondern wurde 1994 „hinausgebeten“, wie es TdL-Geschäftsführer Wolf-Dieter Sponer höflich formuliert. Der Grund: Berlin hatte gegen das Votum der anderen Länder die Gehälter im öffentlichen Dienst (Ost) vorfristig ans Westniveau angepasst. Zwar laufen die bundesweit geltenden Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten im Staatsdienst Ende Oktober aus, aber in diesen Tarifverhandlungen geht es vorrangig um die Erhöhung der Gehälter.

Dabei sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer durchaus einig, dass die bestehenden Manteltarifverträge reformbedürftig sind. „Aber wir werden alles daransetzen, diese Reform nicht dem emotionalen Druck der bevorstehenden Einkommenstarif-Runde auszusetzen“, sagte Harald Reutter, Sprecher des Verdi-Bundesvorstands. Bisher gab es ohnehin nur Vorgespräche über Verfahrensfragen, die zudem vor zwei Wochen scheiterten, weil der Verband der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) Spartentarifverträge für Krankenhäuser und Nahverkehrsbetriebe anstrebt. An einer solchen „Erosion“ der Flächentarifverträge haben die Gewerkschaften ebenso wenig Interesse wie an Öffnungsklauseln zugunsten einzelner Bundesländer.

„Öffnungsklauseln sind immer schwierig“, reagierte Reutter auf die Vorschläge des Berliner Senats. Mit der Modernisierung des Tarifrechts verbindet Verdi ganz andere Ziele: Mehr Souveränität der Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Arbeitszeiten, die Angleichung der Ost- und Westtarife, ein einheitliches Tarifrecht für Angestellte und Arbeiter. Möglicherweise werden die öffentlichen Arbeitgeber versuchen, die Reform des bundesdeutschen Tarifrechts in die nächste Tarifrunde einzubeziehen. Aber nicht unbedingt im Sinne Berlins. Die Regionalisierung des Tarifrechts, so TdL-Geschäftsführer Sponer, sei „eine der großen Fragen“, zu der sich die Bundesländer bisher „nicht groß geäußert“ hätten. Als Notlösung könnte der Senat den Vertrag mit den Berliner Gewerkschaften „zur Übernahme von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes“ kündigen. Dann müssten die Tarifabschlüsse von der Bundesebene nicht übernommen werden. Eine Kampfansage! Ulrich Zawatka-Gerlach

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