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Berlin: Keine Angst vorm schwarzen Mann

Joaquin Phoenix über seine Rolle als Johnny Cash

Joaquin Phoenix über seine Rolle als Johnny Cash Er nennt den Mann jetzt John, wie es Menschen getan haben, die John gut kannten. Er ist fasziniert von John, hat versucht, ihn zu ergründen. Persönlich kennen gelernt hat er ihn nie. John starb im September 2003, bevor er ihn treffen konnte. John ist Johnny Cash, Musiker, Phänomen. Bewundert und verehrt, auch von Kollegen wie Bob Dylan oder U2-Sänger Bono. Und derjenige, der Johnny Cash jetzt nur noch John nennt, ist der US-Schauspieler Joaquin Phoenix, 31.

Phoenix hatte den Auftrag, Johnny Cash zu sein. Regisseur James Mangold verpflichtete ihn als Hauptdarsteller für seinen Film „Walk the Line“, einen Film über die frühen, die weitgehend unbekannten frühen Jahre Cashs. Nach dem Film über Soullegende Ray Charles kommt damit eine weitere Musikerbiographie auf die Leinwand. „Walk the Line“ läuft im Februar in den deutschen Kinos an. Das ist der Grund, warum Phoenix am Mittwochmorgen im Erdgeschoss des Regent-Hotel in Mitte auf dem Podium saß und Fragen beantwortete. Er wollte seinen Film vorstellen. Es gab dazu viele Fragen. Vor allem: Wie stellt man es an, Johnny Cash zu spielen – einen Charakter, der so unergründlich erschien, dass man ihn den schwarzen Mann nannte? „Ich glaube, es hat mir geholfen, dass ich nichts über ihn wusste. Ich war unbefangen. Im Nachhinein muss ich sagen: zum Glück. Vielleicht hätte ich diese Rolle sonst nicht angenommen.“

Phoenix zieht an einer von vielen Zigaretten an diesem Morgen. Er sagt, er habe sich an Cashs Frau gehalten, June Carter. „Sie sagte, dass er zwei unterschiedliche Persönlichkeiten besaß: Es gab den Mann, den sie John, und ein Alter Ego, das sie Cash nannte.“ Was sie meint: John war ein ehrlicher, verletzlicher Mann, der sein Leben lang auf der Suche war. Cash war der wilde sture Egoist, der sich von den dunklen Seiten des Lebens angezogen fühlte.

Phoenix spielt Johnny Cash nicht nur, er singt ihn auch. Ein Stimmtrainer half ihm dabei. „Das war mein Zugang zu dieser Figur“, sagt Phoenix – und eine schon wider verschlossene Tür. Inzwischen habe er die Singtechniken längst verlernt. „Es ist alles weg.“ Wer vor den Dreharbeiten wusste, dass er Lieder singen könne, die man mit einer sehr charakteristischen Stimme verbindet? „Niemand“, sagt Phoenix. „Das war auch nach den ersten Stunden mit dem Stimmtrainer längst nicht klar.“ Es ist eine ehrliche Antwort. John hätte wohl auch ehrlich geantwortet.

Der Versuch, einen großen Musiker zu ergründen und darzustellen, kann sich lohnen. Im vergangenen Jahr bekam der Schauspieler Jamie Foxx für seine Hauptrolle als „Ray“ in der Ray-Charles-Biografie einen Oscar.

Marc Neller

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