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Ich hau dich weg! Selbst das Freizeitverhalten "richtiger" Senioren lässt sich heute kaum noch pauschal bestimmen.

© dpa

Keine Extras für Senioren: Ich bin nicht so alt, wie ihr denkt!

Zeitschriften, Kirchen, Parteien: Alle machen Angebote extra für die Kohorte 50 plus. Aber wer bitte soll sich davon angesprochen fühlen? Gerade in Berlin lässt sich doch kaum sagen, welche Generation wie tickt.

Eine kluge Freundin von mir lud vor etlichen Jahren zu ihrem runden Geburtstag ein. Das Motto lautete: „40 is not old – depressing, but not old“. Den Spruch fanden die anderen Gäste und ich so passend. Er war wunderbar ironisch und zeigte die Absurdität einer Altersgrenze, die an einem bestimmten Geburtstag gezogen wird und vor der man angstschlotternd stehen soll.

Dass bereits 40 als alt gelten kann, ist nicht nur ein subjektives Problem. Vor einigen Jahren lag der Berliner Arbeitsmarkt am Boden. Die Experten wurden nicht müde zu erklären, dass besonders ältere Frauen als schwer vermittelbar gelten. Älter hieß nach den Kriterien der Arbeitsämter: älter als 40. In dem Alter sollte es für viele Berlinerinnen keine Perspektive mehr geben. Unfassbar! Heutzutage haben die Personalabteilungen dank demografischem Wandel gelernt; das Wissen und Können auch dieser „älteren“ Frauen ist durchaus wieder gefragt. Aber nur, weil zu wenig junge nachrücken.

Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ gründete vor geraumer Zeit einen Ableger für – nennen wir sie mal so – die reifere Leserin. „Brigitte Woman: das Magazin für Frauen über 40“ heißt das Produkt. Es muss erfolgreich sein; inzwischen gibt es „Brigitte Woman“ sogar monatlich. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum. Alle paar Ausgaben blickt auf der Titelseite ein zugegebenermaßen attraktiver Graufuchs die potenzielle Kundin an, damit klar ist, an wen sich das Heft wenden will. Will ich das? Selbst meine Schwiegermutter, die ein paar Jährchen älter ist als ich, möchte so nicht angesprochen werden, sie greift stets zur normalen „Brigitte“. Recht hat sie.

Die Vierziger sind für mich seit längerem Vergangenheit. Aber alt – alt fühle ich mich nicht. Selbst dann nicht, wenn meine Freundin und ich den Altersdurchschnitt in einer Kreuzberger Bar entscheidend heben, weil die meisten anderen Besucher rund 20 Jahre jünger sind. Ein Blick in die Runde bestätigt, dass manche, die bedeutend weniger Jahre hinter sich gebracht haben, so wirken, als ob sie niemals jung waren. Ich möchte keine angeblich auf meine Altersgruppe zugeschnittenen Angebote. Das Alter ist für mich kein Kriterium. Ich definiere meine Interessen nicht über das Erreichen der Wechseljahre. Jetzt gibt’s einen Berlin-Blog ab 50, für die Älteren. Hallo, geht’s noch?

Junge Alte, wer soll das bitte sein?

Ich hau dich weg! Selbst das Freizeitverhalten "richtiger" Senioren lässt sich heute kaum noch pauschal bestimmen.
Ich hau dich weg! Selbst das Freizeitverhalten "richtiger" Senioren lässt sich heute kaum noch pauschal bestimmen.

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Kirchengemeinden bieten ihren „jungen Alten“ die Gruppen 55 plus an, damit Gleichgesinnte sich zu gemeinsamen Aktivitäten treffen können. Als ob in diesem Alter das Leben aus Nordic Walking und gepflegten Kaffeerunden besteht. Wenn ich meinen Freunden mit so einem Vorschlag käme, würden die mich für bekloppt erklären. Politisch zeigen sich ähnliche Tendenzen: Die SPD hat ihre Arbeitsgruppe 60 plus, der automatisch alle Mitglieder angehören, die das sechste Lebensjahrzent vollendet haben. Bei der CDU gibt’s die Senioren-Union für die über 60- Jährigen. Wie unpassend ist das denn? Diskriminierung pur! In diesem Alter stehen viele Männer und Frauen noch im Berufsleben, sind topfit und gehören keinesfalls in die Altenecke gestellt.

Wir Angehörigen der Generation 50, 55 und 60 plus tragen nämlich keine cremeweißen Mephisto-Schuhe und praktischen Goretex-Anoraks oder lassen uns beim Friseur die Haare waschen und legen, sondern gehen genauso wie alle anderen bei H & M, Mango, Fred Perry oder Pimkie einkaufen. Wir brauchen keine spezielle Ansprache. Schon gar nicht in Berlin, wo es keinen stört, wenn man seine Jugend über Jahrzehnte hinweg auslebt. Hier wird doch auch an Orten geduzt, an denen man es nie erwartet hätte, egal welches Alter das Gegenüber hat.

Das Einzige, was ich persönlich derzeit an Extras für Ältere akzeptiere, wäre ab und an ein Seniorenteller, auch wenn man ihn durchaus als kleine Portion bezeichnen könnte, wie es fortschrittliche Restaurants machen. Aber als ich letztens einen solchen Seniorenteller bestellen wollte, schaute mich der Kellner nur missbilligend an, so, als ob ich mir etwas erschleichen wollte, das mir nicht zusteht. Und er sagte sehr, sehr unfreundlich: „Das Angebot machen wir nur für richtige Senioren.“ Aber wer sind die überhaupt?

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