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Berlin: Keine Zigarettenautomaten in Schulnähe: Hohenschönhausen plant den "Einstieg in den Ausstieg"

Die Geräte gelten als doppelt verwerflich: Oben am Gestell ein Zigarettenautomat, unten einer für Süßwaren. Zudem standen zwei dieser "Huckepackautomaten" bis vor kurzem auch noch gegenüber dem evangelischen Kindergarten und dem 3.

Die Geräte gelten als doppelt verwerflich: Oben am Gestell ein Zigarettenautomat, unten einer für Süßwaren. Zudem standen zwei dieser "Huckepackautomaten" bis vor kurzem auch noch gegenüber dem evangelischen Kindergarten und dem 3. Gymnasium von Hohenschönhausen. Doch die potenzielle Verführung Minderjähriger ist abgewendet: Jetzt montierte der Aufsteller die Zigarettenspender ab - nach einem Gespräch mit der bezirklichen Plan- und Leitstelle Gesundheit, die gegen das Inhalieren von Nikotin zu Felde rückt. Für den Chef der Leitstelle, Johannes Spatz ist dies, "der Einstieg in den Ausstieg".

Im März initiierte er eine Nichtraucherkampagne mit einer "zigarettenfreien Woche", der sich Bezirksbürgermeisterin Bärbel Grygier (parteilos und Raucherin) anschloss. Im Bezirk läuft ein Plakatwettbewerb, die Leitstelle hat sich einem Projekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angeschlossen und treibt eine Studie zum Thema Zigarettenwerbung um Schulen voran. Der jüngste Vorstoß Hohenschönhausens zielt darauf, ganze Wohngebiete automatenfrei zu bekommen. Grygier ist im Gespräch mit einigen Wohnungsbaugesellschaften. Zudem will sie auf die S-Bahn GmbH einwirken, Automaten-Verträge zu kündigen.

Da werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, sagt Jürgen Lehmann, Vorsitzender des Regionalverbandes der Automatenaufsteller. Lehmann selbst hat dem Leitstellenleiter Spatz den Abbau der zwei Hohenschönhausener Geräte zugesagt. Doch hätten sie bis April 2000 ohnehin verschwinden müssen. Dann endet die Schonfrist einer Selbstverpflichtung der Aufsteller, wonach bundesweit Zigarettenautomaten im Umkreis von 50 Metern um Schulen und Jugendtreffs abgebaut werden sollen. In Berlin müssen mindestens 80 Geräte weg.

Außerdem läuft der Vertrag der Aufstellerfirma Tobaccoland mit dem Falkenseer Süßwarenbelieferer der "Kombiautomaten" ab, bei denen Johannes Spatz eine besonders große Gefahr der Verführung sieht. Berlinweit würden dieser Tage an rund 100 Standorten Süßwarenautomaten demontiert, über denen Geräte für Zigaretten hingen, sagt Volker Denecke von Tobaccoland, jedoch aus "kommerziellen Gründen".

Hinter dem Gefeilsche steht der Streit darum, was Jugendliche zum Rauchen bringt. "Weder die Werbung, noch die Automaten zwingen oder verführen jemanden zum Zigarettenkonsum", sagt Verbandschef Lehmann. Es sei Aufgabe der Eltern, Kindern genug Eigenverantwortung beizubringen, um selbst zu entscheiden. Er ist strikt gegen die Ausweitung der 50-Meter-Zone.

Das ist aber Ziel der Hohenschönhausener Rathausspitze. Bürgermeisterin Grygier fordert ein Gesetz, wonach die Sperrzone für Zigarettenautomaten auf 250 Meter um Jugendeinrichtungen erweitert werden soll, wie es die Gesundheitsminster der Länder gefordert haben. Spatz zufolge hilft es nicht, "nur den Zeigefinger hochzuhalten". Der Staat müsse handeln, Automaten und Werbung beschränken, Steuern erhöhen. Grygier will nun Jugendstaatssekretär Klaus Löhe um ein Gespräch über eine stadtweite Nichtraucherkampagne bitten. Zudem will der Gesundheitsausschuss des Rats der Bürgermeister die Erweiterung der Bannmeile auf die Tagesordnung setzen. Gesundheitssenatorin Beate Hübner sei auch dafür, sagt ihr Sprecher Christoph Abele. Allerdings nur "im Konsens" mit den Aufstellern.

Tobias Arbinger

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