zum Hauptinhalt

Berlin: Keiner sucht den Superstar

Mit seiner Band „Schiller“ hat Christopher von Deylen Erfolg. Doch kaum einer kennt ihn. Jetzt geht er auf Tour

Wenn der Schlagzeuger Gary Wallis mit Pink Floyd auf Tour war, hatte er ihn immer dabei: den Gong, mit gut zwei Metern Durchmesser, der klingt wie ein gewaltiges metallenes Gewitter, das von fern her grollt. Es war ein Markenzeichen, ein- oder zweimal im Konzert geschlagen, war er äußerlicher Ausdruck des Klanggigantismus. Jetzt tourt Gary Wallis mit Schiller, aber ohne Gong.

„Den hab’ ich ihm ausgeredet“, sagt Christopher von Deylen. „Das hat etwas Größenwahnsinniges, das einfach nicht zu uns passt.“ Christopher von Deylen ist Schiller: ein Musikprojekt, das sphärischen Pop jenseits des Radio-Mainstreams macht und seit ein paar Jahren sehr erfolgreich ist. Für „Weltreise“, eines der drei gut verkauften Alben, bekam von Deylen den Musikpreis Echo. „Obwohl wir auf vieles verzichten, was man angeblich tun muss, um als Künstler Erfolg zu haben.“ Er meint: sich darstellen, den Star geben, auf Tour gehen. „Ich verkaufe Platten, und mich kennt keiner. Das kommt mir sehr entgegen.“ Es ist nämlich so: Christopher von Deylen stellt einen hohen ästhetischen Anspruch an seine Kunst. Damit das allen klar ist, hat er seine Band nach dem Dichter Friedrich Schiller benannt. Nur besagt ein hoher ästhetischer Anspruch nicht, dass man keine unauffälligen grauen Kapuzenpullis tragen darf, wenn man Interviews gibt. Von Deylen nippt in einem Friedrichshainer Café an einem Milchkaffee, stellt ihn ab und setzt zu einer Suada über Deutschland und seine vermeintlichen Superstars an. Er beginnt schneller zu sprechen, die Pupillen tanzen hinter der randlosen Brille. Dann bricht er ab. „Oh je, das würde ein anderthalbstündiger Monolog. Wie viel Zeit haben Sie?“ Er lacht.

Für die Pressefotos und die Konzertplakate lässt er sich ohne Brille fotografieren. Er gibt gerne Interviews, aber nicht im Fernsehen. „Wahrscheinlich würden die Aufnahmeleiter bei der ersten Antwort feuchte Finger bekommen, weil meine Sätze immer zu lang wären.“ Das ist seine Art, Kompromisse mit der eigenen Eitelkeit und den Gepflogenheiten der Musikbranche einzugehen. Sonst geht er selten Kompromisse ein.

Deshalb hat er für seine erste Tour eine Reihe herausragender Musiker verpflichtet. Deshalb muss einer von ihnen, Gary Wallis, zwei Wochen ohne Gong reisen. Und deshalb schlafen die Musiker alle gemeinsam im Tourbus. „Ein Hotel gibt’s nicht. Das war die Bedingung: keine Stars, keine Extrawünsche“, sagt von Deylen. Peter Heppner von „Wolfsheim“, Alexander Veljanov („Deine Lakaien“), Opernsängerin Sarah Brightman – sie sang „Time to say goodbye“ mit Andrea Botticelli – und die übrige Entourage waren einverstanden. Weil der Schlagzeuger zu verstehen gegeben hat, dass er nachts sehr laut schnarcht, hat Christopher von Deylen für die Kollegen Ohrenstöpsel besorgt. Für alle. Selbstredend.

Zwischen einer halben und einer Million Euro hat Christopher von Deylen für diese Tour zur Verfügung. „Plusminus Null wäre ein Erfolg.“ Finanziell. Damit sie auch künstlerisch ein Erfolg wird, hat von Deylen verfügt, wie die Gästepässe aussehen sollen, die Hinweisschilder für Toiletten, die T-Shirts. Eine Vorgruppe? Gibt’s nicht. „Die Leute sollen sofort merken, dass sie auf unserem Konzert sind. Am Einlass wird es eine spezielle Musik geben. Eine Art Warte-Soundtrack.“

Aber wenn’s drauf ankommt, muss der Chef die Kontrolle abgeben: beim Auftritt. „Wir sind viele Musiker, und live kann in jedem Moment alles passieren. So oft klingen Live-Versionen viel besser, als das, was man im Studio aufgenommen hat. Trotzdem, ich muss zugeben, ich bin sehr aufgeregt.“

Gespannt sei er auch, wer von seiner Plattenfirma komme. Freikarten gibt es keine. Keine Extrawünsche, wie gesagt.

19. April, Columbiahalle, Columbiadamm 13-21, 20 Uhr, Einlass 18.30 Uhr. Tickets unter der Rufnummer (01805) 570000 oder an der Abendkasse .

Marc Neller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false