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Berlin: Kennzeichen CD - Die Welt in Berlin (Teil 11): Nah, näher - Nahost

"In Bonn gab es von allem nur wenig: wenig Kultur, kaum Business, und vor allem: keine Weltpolitik", sagt Mahmoud Mubarak, seit 1997 Botschafter der arabischen Republik Ägypten. Für ihn bedeutete der Umzug des Parlaments und der Regierung nach Berlin weit mehr als die Einweihung einiger neuer Gebäude.

"In Bonn gab es von allem nur wenig: wenig Kultur, kaum Business, und vor allem: keine Weltpolitik", sagt Mahmoud Mubarak, seit 1997 Botschafter der arabischen Republik Ägypten. Für ihn bedeutete der Umzug des Parlaments und der Regierung nach Berlin weit mehr als die Einweihung einiger neuer Gebäude. "Das vereinte Deutschland wird früher oder später als gleichberechtigter Partner der großen Nationen auftreten - und damit auch im Nahost-Konflikt eine wichtige Rolle spielen." Davon ist der 57 Jahre alte Botschafter überzeugt, und er will diesen Prozess beschleunigen. Gemeinsam mit einem Stab von mehr als 20 Mitarbeitern arbeitet der Ägypter daran, den Nahen Osten auf die politische Agenda der Berliner Republik zu setzen. Denn er weiß, dass auch hierzulande die ehemalige britische Kolonie am Nil als bevorzugter Ansprechpartner in der Krisenregion gilt.

Anfang des Jahres rief Mubarak das "Arabische Kontaktkomitee" ins Leben, einen Zusammenschluss von Vertretern arabischer Staaten in Berlin, die Politiker und Medien über die Belange der Palästinenser informieren wollen. In Charlottenburg unterhält die ägyptische Botschaft außerdem ein eigenes Büro für Öffentlichkeitsarbeit. Büroleiter Ahmed Reda Sheda war langjähriger stellvertretender Chefredakteur der Middle East News Agency, der führenden Nachrichtenagentur im Nahen Osten. Er ist ein Medienprofi, der ein großes "Spiegel"-Interview mit Staatspräsident Hosni Mubarak ebenso routiniert in die Wege leitet wie er weltmännisch mit Redakteuren von Reisemagazinen plaudert, die deutsche Leser auf das Erbe der Pharaonen neugierig machen sollen. Sheda betreut in Berlin ein PR-Team, das auf geringste Stimmungsschwankunken in der öffentlichen Meinung reagiert wie ein Seismograph.

"Präsident Mubarak setzt Sharon unter Druck" titelt etwa eine Regionalzeitung. Sheda unterstreicht den Satz mit Leuchtstift und legt den Artikel in die Mappe mit den eher pro-israelischen Berichten. Besucher werden mit Broschüren und Büchern eingedeckt, die dem Diplomaten lesenswert erscheinen. "Wir bemühen uns seit langem, bei deutschen Politikern mehr Verständnis für die Haltung der Palästinenser zu wecken", sagt Mubarak. Wir - das sind 22 Auslandsvertretungen arabischer Länder in Berlin, die im "Rat der arabischen Botschaften" gemeinsame Strategien beschließen. Darunter sind auch Diplomaten aus afrikanischen Ländern wie dem Sudan sowie der Vertreter der autonomen Palästinensergebiete, Abdullah Frangi. Allerdings zeigten diese Vorstöße bislang nicht die erhoffte Wirkung. "Bei unseren Treffen mit Spitzenbeamten waren die Reaktionen eher verhalten", erklärt Mubarak, der Berlin Anfang September verlassen und als Stellvertreter des ägyptischen Außenministers nach Kairo zurückzukehren wird.

Wer ihm nachfolgen wird, ist noch nicht bekannt, aber einer der sieben Millionen ägyptischen Christen wird es wohl nicht sein. Sie machen immerhin zehn Prozent der Bevölkerung des Landes aus, und auch in Berlin sind von 3000 in der Stadt lebenden Ägyptern etwa 300 Angehörige der koptischen Kirche. Koptische Einwanderer gründeten die Berliner Gemeinde 1975. George Asaad, der Vorsitzende der Gemeinde, ist Inhaber eines Restaurants in Charlottenburg und gehört zu den wenigen, die Koptisch verstehen, eine Mischung aus Altägyptisch, Griechisch und Arabisch. Es wird heute nur noch in der Liturgie verwendet.

"Ich habe die Sprache in Jerusalem gelernt, bevor ich nach Berlin kam." Seit 37 Jahren ist Asaad mit einer Berlinerin verheiratet, die mittlerweile gut Arabisch spricht. Die Kopten haben in Deutschland sogar einen eigenen Bischof, der auf den religiösen Namen Damian hört. Er residiert im nordrhein-westfälischen Höxter, besucht aber immer öfter Berlin, das eine der größten koptischen Gemeinden im Land beherbergt. Damian spricht akzentfrei in sehr gewähltem Deutsch. "Nach dem Medizin-Studium in Deutschland war ich von 1981 bis 1991 Oberarzt für Röntgendiagnostik in einer Klinik in Süddeutschland" erzählt er. Vor zehn Jahren ging er in ein ägyptisches Kloster, um sich der Religion zu widmen. Nun hat der Papst der Kopten, Schenuda III., Damian zurück nach Deutschland beordert, um die 4000 Mitglieder starke Gemeinde zu betreuen. "Mein Traum ist es, hier eine koptische Diözese zu gründen," sagt Damian.

Wenn es um den Nahostkonflikt geht, ergreifen auch die Kopten in Berlin Partei - für die Palästinenser. "Uns Ägyptern fällt es leicht, verschiedene Identitäten miteinander zu verbinden", sagt Botschafter Mubarak. Denn im Grunde seien Identitäten wie die arabische oder die christliche jung im Vergleich zur 4000 Jahre alten Zivilisation des ägyptischen Volkes. "Deswegen ist es kein Widerspruch, dass ich die Vorschriften des Koran einhalte und gleichzeitig ein begeisterter Jazz-Musiker bin", sagt Mubarak.

Andrea Exler

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