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Über die Kennzeichnungspflicht für Polizisten wurde Jahrzehnte gestritten.

© dapd

Kennzeichnung: Nummer oder Namen – Polizisten haben die Wahl

Berlin führt als erstes Bundesland die Kennzeichnungspflicht ein. Der Senat begrüßt die Entscheidung, Polizeigewerkschafter fürchten Repressalien.

Berliner Polizisten müssen ab 1. Januar ein Schild mit Namen oder Nummer an der Uniform tragen. Mit diesem Schlichterspruch wurde ein seit Jahren erbittert geführter Streit beendet. Berlin ist damit das erste Bundesland, dass eine individuelle Kennzeichnung von Polizisten einführt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch begrüßten den „vernünftigen Kompromiss“. Er bedeutet, dass künftig jeder Polizist selbst entscheiden kann, ob er seinen Nachnamen an der Uniform trägt oder seine Dienstnummer. Diesen Kompromiss hatte vor wenigen Wochen die Einigungsstelle vorgeschlagen; ursprünglich wollte die Polizeiführung, dass alle uniformierten Beamten ihren Namen tragen und nur in Ausnahmefällen wie bei Demonstrationen die Nummer getragen werden darf – angeordnet dann vom Dienstvorgesetzten.

Obwohl der Kompromiss nun vorsieht, dass frei gewählt werden darf, protestierten die beiden Polizeigewerkschaften GdP und DPolG, der Hauptpersonalrat des Landes und die Berliner CDU gestern scharf. Der CDU-Innenpolitiker Robbin Juhnke verglich die Wahl zwischen Nummer und Namen mit der zwischen „Pest und Cholera“. Bodo Pfalzgraf von de DPolG sprach von einem „schwarzen Tag“ für die Berliner Beamten. Auch eine Nummer könne „nachteilig oder sogar gefährlich“ sein. Diese fünfstellige Nummer ist ein Teil der Dienstnummer, die jeder Beamte auf Verlangem jedem Bürger schon jetzt aushändigen muss.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, er glaube nicht, dass ein Polizist sich fürchten müsse, nur weil er zu identifizieren sei. Es sei sinnvoll, dass der Bürger wisse, mit wem er es zu tun habe. Amnesty International begrüßte die Entscheidung, da es mehrere Fälle gab, bei denen prügelnde Polizisten nicht identifiziert werden konnten.

Schon jetzt tragen mehr als die Hälfte aller uniformierten Beamten das Namensschild freiwillig, Schätzungen gehen von 6000 bis 7000 der 13 000 Uniformträger aus. Darunter sind sehr viele Führungskräfte. So trägt der Chef der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung selbst bei gewalttätigen Autonomendemos sein Namensschildchen offen. Polizeipräsident Dieter Glietsch, der in den vergangenen Jahren die Kennzeichnungspflicht entscheidend vorangetrieben hat, sagte gestern: „Wir können den Menschen künftig noch offener und bürgernäher zu begegnen. Im demokratischen Rechtstaat haben diejenigen, die von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind, grundsätzlich einen Anspruch darauf, zu wissen, wer in ihre Rechte eingreift.“ Durch die Wahlmöglichkeit zwischen Name und Nummer sei Rücksicht auch auf alle genommen, die glauben, der Name an der Uniform könne zu Missbrauch oder Gefährdung führen.

Den Ausschlag für die gestrige Entscheidung gab der unabhängige Arbeitsrichter, der der „Einigungsstelle für Konfliktfälle im öffentlichen Dienst“ vorsteht, das paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Innensenator Körting zeigte sich erleichtert, dass „ein jahrzehntelanger Streit beendet ist“. Er hoffe, dass möglichst viele Polizisten den Namen an der Uniform tragen werden und nicht die Nummer. Die angebliche Sorge der Gewerkschaften vor Repressalien nannte Körting eine „ideologische Schutzbehauptung“. Auch im Präsidium am Platz der Luftbrücke wundern sich viele über die Kompromisslosigkeit, mit der die Gewerkschaften jede Kennzeichnung ablehnen.

Befürworter einer Kennzeichnung betonen immer wieder, dass im Landeskriminalamt selbst in den Abteilungen für organisierte Kriminalität an jedem Dienstzimmer der Name des Beamten hängt – von Repressalien wurde bislang nichts bekannt. Auch vor Gericht müssen Polizisten ihren Namen nennen, ausgenommen sind lediglich Angehörige des Spezialeinsatzkommandos, die als Nummer in Prozessen auftreten können.

Persönlich bedroht wurden in der Vergangenheit Polizisten vor allem aus politischen Motiven. Bei Rechtsextremisten gilt etwa ein Direktionsleiter als Hassobjekt. Ein Zivilpolizist der Spezialeinheit PMS („Politisch Motivierte Straßengewalt“) wurde vermutlich von Rechtsextremen angegriffen und schwer verletzt. Linksradikale wiederum haben kürzlich die Privatanschrift des Leiters der Versammlungsbehörde veröffentlicht. Über die Namensschilder wird in Berlin seit Anfang der 50er Jahre gestritten. 1986 bekamen die Kontaktbereichsbeamten – schon damals gegen den Widerstand der GdP – als erste ein Namensschild.

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