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Berlin: Kicken, bis der Richter kommt

„Cosmos“ spielt weiter vorm Reichstag. Der Verein will sich weigern, das Bußgeld zu zahlen

Eins zu null für Cosmos. Das wäre ein Ergebnis, über das sich Freizeitfußballer Jan Schlüschen freuen würde. Der Präsident des Hobbykicker-Vereins „Cosmos Berlin e.V.“ fordert aber diesmal nicht eine gegnerische Mannschaft heraus, sondern das Bezirksamt Mitte. „Weil das Amt das Kicken vorm Reichstag verbietet und wir dafür Knöllchen kassieren, gehen wir dagegen bis vors Verwaltungsgericht.“ Am kommenden Sonntag „wollen wir uns das erste Strafticket abholen“, sagte Schlüschen gestern.

Der Anwalt sieht gar nicht ein, ab sofort ein Bußgeld in Höhe von 50 Euro zu zahlen. Deswegen will er keinen Cent überweisen und es letztlich sogar auf einen Prozess ankommen lassen, wenn der Bezirk das Bußgeld einklagt. „Wir spielen seit Jahren immer sonntags mittags vor dem Reichstag. Das haben wir schon vor der Einrichtung der Baustelle getan, genau wie unsere Väter und andere Verwandte, die früher mal in Berlin studiert haben.“ Dass die Fußballer wegen Schädigung des Rasens im Abseits stehen bleiben sollen, findet der 33-Jährige unverhältnismäßig. „Ein Verbot, mit Stollenschuhen zu spielen, würde völlig ausreichen.“ Zumal der Rasen dort, wo die Touristen in der Warteschlange für den Kuppelbesuch stehen, „doch viel geschädigter aussieht“.

Eigentlich wollten sich die Hobbyfußballer im Alter von 18 bis 38 ja geschlagen geben. Doch „angestachelt auch durch die Medienberichterstattung“ wollen die kickenden Anwälte und Fotografen, Psychiater, Schüler, Studenten und Architekten, Ingenieure und Künstler in die Offensive gehen. „Was Mitte macht, zeigt, dass Berlin im Vergleich zu anderen Weltstädten die totale Provinz ist“, sagt Schlüschen. Als er in London lebte, ging er im Regent Park spielen, erzählt der Anwalt. „Da hat die Stadt London sogar Tore für uns aufgestellt.“ Durchs Fußballspielen habe er andere Zugereiste und auch Londoner kennen gelernt. „Auch vorm Reichstag werden Neu-Berliner schnell integriert.“ Dem Deutschen Volke täte es gar nicht gut, wenn damit für immer Schluss sein sollte.

Dem FC Cosmos Berlin geht aber es nicht nur darum, Recht zu behalten: „Als Freizeitfußballer hat man gar keine andere Wahl, als auf öffentlichen Rasen auszuweichen.“ Cosmos habe sich sogar ganz ordentlich als Verein eintragen lassen, um eine Spielstätte zu finden und sich bei mehreren Bezirksämtern beworben – vergebens.

Bislang trainierten vorm Reichstag auch die „Grüne Tulpe“ (die Mannschaft der Bundestagsfraktion der Grünen), die Kreuzberger Künstler von „FC Real Berlin“, „Turbine Tiergarten“ und „Lokomotive Reichstag“ sowie Betriebssportgruppen von Sony, eBay und Universal. Anwalt Schlüschen hofft jetzt auf eine erfolgreiche Partie vor Gericht. Im Juni wird indes das Hobby-Sommerturnier mit Teams aus Dublin, London, Köln, St. Pauli und Berlin angepfiffen – traditionsgemäß auf einem Platz in Köpenick.

Annette Kögel

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