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Berlin: Kiepert schlägt die letzten Seiten auf

Von Tobias Arbinger Die wirtschaftlich angeschlagene Traditionsbuchhandlung Kiepert gerät immer weiter unter Druck. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat die Geschäftsführung Ende Juni 42 von rund 170 Beschäftigten der Haupthäuser an der Hardenbergstraße und an der FU in Dahlem gekündigt.

Von Tobias Arbinger

Die wirtschaftlich angeschlagene Traditionsbuchhandlung Kiepert gerät immer weiter unter Druck. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat die Geschäftsführung Ende Juni 42 von rund 170 Beschäftigten der Haupthäuser an der Hardenbergstraße und an der FU in Dahlem gekündigt. Außerdem seien 16 Beschäftigte von Kiepert-Filialen in den „ProMärkten“ Kurfürstendamm und Reinickendorf entlassen worden, sagte gestern Gewerkschaftssekretärin Sabine Zimmer. „ProMarkt“ habe die Mietverträge gelöst. Zumindest für 42 Beschäftigte gebe es einen Sozialplan. Geschäftsführer Andreas Kiepert führe derzeit Verkaufsverhandlungen. Dependancen in der Schönhauser Allee und in Zehlendorf seien bereits an die Buchhandelskette Thalia Könnecke verkauft worden. Zimmers Informationen zufolge gibt es weitere Kaufinteressenten. Die Kiepert-Geschäftsführung war gestern zu keiner Stellungnahme bereit.

Am Freitag hatte sich die Situation zugespitzt. Der Hamburger Großhändler Libri ließ in der Hardenbergstraße LKW vorfahren und versuchte nach Angaben von Kiepert-Mitarbeitern, Ware zurückzuholen. Das Hauptgeschäft wurde zeitweise geschlossen. An den Türen war auf Schildern von einer „technischen Störung“ die Rede. Libri zog dann allerdings ohne Bücher ab. Aussagen von Mitarbeitern zufolge soll Kiepert eine einstweilige Verfügung erwirkt haben. Das Fachblatt „Buchmarkt“ meldete, Kiepert habe Lieferanten gebeten, bis zum 17. Juni auf 60 Prozent der Forderungen zu verzichten. Das Personal beriet sich am Freitagmittag auf einer Betriebsversammlung. „Die Ereignisse überstürzten sich“, sagte eine Mitarbeiterin. Die Kollegen seien „ganz schön wütend“, weil sie von der Geschäftsführung nicht hinreichend über die Zukunftspläne informiert worden seien, sagte Zimmer. Dabei habe die Belegschaft schon bei früheren Krisen loyal zum Unternehmen gestanden. Außerdem stünden Löhne aus, sagte Zimmer.

Als ein Grund für die Krise gilt unter anderem die zunehmende Konkurrenz auf dem Berliner Buchmarkt. Mit dem Einzug der großen Buchhandelsketten Hugendubel, Dussmann und Thalia vergrößerte sich die Verkaufsfläche in knapp vier Jahren um 30 000 Quadratmeter – um mehr als ein Drittel. Die Einnahmen wuchsen aber nicht mit. Am Rande einer Betriebsversammlung vor sechs Wochen hatte Geschäftsführer Andreas Kiepert stagnierende Umsätze und Einsparungen der öffentlichen Hand für die Krise im Haus mitverantwortlich gemacht. Berlins Bibliotheken gehörten zu Kieperts Großkunden, sagte eine Sprecherin.

Robert Kiepert senior hatte die schon damals in der Hardenbergstraße ansässige Traditionsfirma 1912 von Engelhard Ostermoor übernommen. 1929 bezog das Unternehmen Geschäftsräume in der Schillerstraße, 1943 – nach einem Brand – in der Knesebeckstraße. 1955/56 wurde der Neubau in der Hardenbergstraße errichtet, wo seitdem auf über 5000 Quadratmetern Fläche Bücher verkauft werden. Insgesamt arbeiteten in den neun Kiepert-Geschäften bis vor kurzem rund 230 Mitarbeiter.

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