zum Hauptinhalt
Danger Dan tourt erstmals allein durch die Lande, das Berlin-Konzert im SO36 ist schon ausverkauft.

© Mike Wolff

Kiezspaziergang mit Danger Dan: Immer links lang in Kreuzberg

Der Musiker von der Hip-Hop-Crew Antilopen Gang macht politischen Rap. Ein Treffen im kontrastreichsten Teil Kreuzbergs.

Es ist 13 Uhr an einem Wochentag und da ist er endlich, eine Stunde zu spät: Danger Dan, Mitglied der Hip-Hop-Combo Antilopen Gang. Für die Verspätung kann er nichts, ein Missverständnis in der Absprache mit dem Management. Trotzdem: Gestern sei es spät geworden, erzählt er, in einer Bar sei er versackt und so habe man ihn gerade eben erst aus dem Bett geklingelt. Aber nun ist er ja hier, zwar noch ohne Frühstück im Bauch, dafür mit einem Latte-to-go in der Hand, und bereit, vom Halleschen Tor in Richtung Friedrichstraße zu laufen.

Er sei nicht so der große Spaziergänger, gibt Danger Dan zu, der eigentlich Daniel Pongratz heißt und 1983 in Aachen geboren wurde. Aber wenn schon Spaziergang, dann einen auf der Friedrichstraße, weil er diese so ungewöhnlich finde. „In dieser Straße passt einfach nichts zusammen. Man startet in einer ziemlich heruntergekommenen Gegend am Mehringplatz und ein paar hundert Meter weiter reiht sich schon eine Edelboutique an die nächste“, sagt er. „Es ist alles so unglaublich politisch aufgeladen hier und gleichzeitig passt nichts zusammen. Unangenehm hässlich und architektonisch kein roter Faden. Ein übelst abgefahrener Weg.“

Kiezspaziergang mit Danger Dan (Grafik anklicken zum Vergrößern).
Kiezspaziergang mit Danger Dan (Grafik anklicken zum Vergrößern).

© Tsp/Klöpfel

Von Düsseldorf nach Berlin

Die Antilopen Gang hat Danger Dan vor fast zehn Jahren in Düsseldorf mitgegründet, vor sechs Jahren ist er nach Berlin gezogen, ganz in die Nähe des Halleschen Tors – „eine der besten Entscheidungen meines Lebens“.

Auch sonst scheint er einiges richtig gemacht zu haben, denn er ist erfolgreicher Rapper, ohne in das aktuell gängige Schema des Battle-Raps zu passen: Demnach müsste er sich eigentlich als Gangster inszenieren, Drogen und dicke Autos am Start haben. Aber Danger Dan und seine Antilopen Gang sind die exakten Antipoden: Dezidiert links und sie setzen eher auf Ironie und Spaß statt auf Härte und Macho-Gehabe.

Vom südlichen Zipfel der Friedrichstraße aus macht der Rapper einen Abstecher beim Willy-Brandt-Haus, der SPD-Bundeszentrale in der Wilhelmstraße. „Spätestens seit 1914 nicht mehr wählbar“, lautet sein Kommentar. Wenn schon Partei, dann „Die Partei“. Zur letzten Bundestagswahl hatte die Antilopen Gang mit Bela B von den Ärzten und der Hamburger-Politpunkband Slime einen Wahlkampfsong für die Satire-Partei um den Vorsitzenden Martin Sonneborn geschrieben. Aber auch das ist für Danger Dan keine politische Heimat.

„Zecken-Rap“ heißt das musikalische Genre, in dem sich die Antilopen Gang sieht und das zeigt schon, wie weit links die drei Männer stehen. Trotz der klaren Haltung sei man mehr Rap-Crew als Polit-Gruppe, betont Danger Dan.

Das Konzert im SO36: Heimspiel

Keine Band aus der Szene ist derzeit so bekannt wie das Trio, zu dem neben Danger Dan auch sein Bruder Tobias alias Panik Panzer und Kolja Podkowik alias Koljah gehören. Mit „Beate Zschäpe hört U2“ hatten sie einen Hit – die Rapper, die eben noch die autonomen Jugendzentren bespielten, füllten plötzlich Konzerthallen und wurden zu Feuilleton-Lieblingen.

„Anarchie und Alltag“, das zuletzt erschienene Album der Antilopen Gang, erreichte den ersten Platz der Charts und mit seiner ersten Soloplatte „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ ist Danger Dan diesen Sommer immerhin in den Top Ten gelandet. Derzeit ist er auf Tour, am Dienstag tritt er im SO36 auf. Natürlich ist das Konzert ausverkauft – Heimspiel für einen linken Rapper.

Mittlerweile steht Danger Dan vor dem Tommy-Weisbecker-Haus, ein selbst verwaltetes Wohnkollektiv, eine Institution der linken Szene in Kreuzberg. „Wir kommen aus solchen Häusern“, sagt Danger Dan, der mit der Antilopen Gang schon öfter hier aufgetreten ist.

Im Gebäude daneben wohnt Danger Dans „Held vom Halleschen Tor“. Er zeigt auf ein Haus, einer der Balkone hat keinerlei Verbindungen zu einer Wohnung. Er hängt einfach da, ohne jede Funktion. Nackte Wand, davor der Balkon. Der Bewohner, weiß Danger Dan, habe den „Gentrifizierungsbalkon“ abgelehnt. Angebaut wurde er trotzdem – ein Symbol für das oft spannungsreiche Verhältnis zwischen Mietern und Eigentümern in Berlin.

„Ich gehöre definitiv zum Campino-Team“

Über den Theodor-Wolff-Park kehrt Danger Dan zurück auf die Friedrichstraße und bleibt vor einem Gebäude stehen, davor informiert eine Gedenktafel über die Vergangenheit des Ortes: Einst befand sich hier der „Gutschow-Keller“, eines der ersten Berliner Konzentrationslager. Der Rapper wird nachdenklicher, stiller. „Wenn ich mit etwas wirklich ein Problem habe, dann mit Antisemitismus“, sagt er.

Wie wichtig das Thema ist, hat sich auch beim Echo-Auftritt der Skandalrapper Kollegah und Farid Bang gezeigt, die für ihre antisemitischen Anspielungen in einigen Tracks kritisiert werden. Der Chef der Plattenfirma, bei der Danger Dan unter Vertrag steht, war der Einzige, der vor Publikum klarmachte, dass er sich unwohl fühle bei der Performance der beiden umstrittenen Battle-Rapper: Campino von den Toten Hosen. Dafür wurde er von vielen als Gutmensch verspottet. Danger Dan fand Campinos Intervention richtig und gut: „Ich gehöre definitiv zum Campino-Team.“

Ein paar hundert Meter noch und Danger Dan erreicht den Checkpoint Charlie. „Weiter komme ich bei meiner Runde auf der Friedrichstraße eigentlich nie“, sagt er und kehrt dann auch gleich um zum Halleschen Tor. Zeit, um noch ein bisschen über sein Soloalbum zu plaudern. Es ist im Rahmen einer Therapie entstanden, erzählt er, es sei eine „Auseinandersetzung mit mir selbst“. Wer bin ich? Wo komme ich her? Eine private Platte also. Doch wie war das noch mal: Ist nicht auch das Private immer politisch?

Zur Startseite