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Geboren im Wendejahr. Laura Berlin lebte lange Zeit in Berlin, vor fünf Jahren ist sie mit ihrem Freund aufs Land gezogen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kiezspaziergang mit Schauspielerin Laura Berlin: „Ich bin sehr durch den Osten geprägt“

Die Schauspielerin Laura Berlin heißt wie ihre Heimatstadt. Am Donnerstag ist sie in der ARD im Kroatien-Krimi zu sehen. Ein Spaziergang durch ihren Kindheits-Kiez an der Warschauer Straße.

Von Laura Hofmann

Die Schneeflocken verschwinden in dem Augenblick, in dem sie auf den Asphalt fallen. Es ist Winter in der Stadt und Laura Berlin, schwarzer Mantel, graue Mütze, Stoffbeutel in der Hand, lächelt und sagt: „Da haben wir uns ja einen guten Tag zum Spazierengehen ausgesucht.“ Treffpunkt Frankfurter Tor. An der großen Friedrichshainer Kreuzung erkennt man den Osten an Stadtplanung und Architektur. Die Turmhochhäuser mit den markanten Kuppeln, die jenen am Gendarmenmarkt nachempfunden sind, bilden den Anfang des architektonischen Ensembles der Karl-Marx-Allee.

Auf den Stufen zu einem der Zuckerbäckerbauten sitzen im Sommer junge Leute und trinken ihr Feierabendbier. Laura Berlin lernte hier als Kind Rollschuhfahren. Sie hat ein Bild vor Augen: Wie sie mit voller Geschwindigkeit auf die Straße zufährt, weil sie noch nicht bremsen kann - und sich im letzten Moment an einem Poller festhält. Über 20 Jahre ist das her. Früher war in dem Ladenlokal, das sich jetzt „Winery“ nennt und Wein und Tapas anbietet, ein McDonalds, erinnert sie sich.

Die Schauspielerin Laura Berlin kommt 1990 zur Welt, kurz nach der Wiedergeburt ihrer Heimatstadt. Es ist kein Scherz, sie heißt wirklich so. In New York staunen Kollegen, wenn sie sich vorstellt. „Berlin is so cool“, sagen sie dann. Sie wächst in der Warschauer Straße auf. Vierte Generation Ost: Eine Kindheit in Ost-Berlin, nach dem Mauerfall. „Ich bin sehr durch den Osten geprägt“, sagt sie, vor allem durch ihre Erziehung. Bodenständig und bescheiden sei ihre Mutter, das habe sie ihr mitgegeben.

Mit 13 wird sie als Model entdeckt

Laura Berlin ist die erste in der Familie, die etwas Künstlerisches zum Beruf gemacht hat. Mit 13 wurde sie beim Einkaufen in der Schönhauser Allee als Model entdeckt, ein Nebenjob, der sie an faszinierende Orte brachte: Paris, Island, Südafrika. „Ich hätte auch Zeitungen austragen können.“ Aber das Modeln war spannender und lukrativer und dass sie Abitur machen würde, war dabei immer klar. Ihre Mutter ist alleinerziehende Krankenschwester, hat noch zwei Töchter, Laura Berlin ist Sandwichkind.

Dass die Mode- und Beautywelt nicht die ihre ist, wusste sie aber von Anfang an. Sie wird nicht vergessen, wie sie in Mailand und Paris vor große Spiegel gestellt und ihr gezeigt wurde, was an ihrem Körper nicht perfekt sei. Das Gefühl, nicht zu genügen, weitet sich auf alle Bereiche ihres Lebens aus, es wird sie viele Jahre nicht verlassen. Heute noch hat sie mit dem zu kämpfen, was sie „Gefallsucht“ nennt. Sie modelt nur noch gelegentlich. Denn vor einigen Jahren hat sie einen Beruf gefunden, der sie wirklich erfüllt: die Schauspielerei.

Am Donnerstag ist sie in der ARD zu sehen

Am Donnerstag ist sie in der ARD im Kroatien-Krimi an der Seite der Kommissarin Branka Maric zu sehen. Sie verkörpert Ivena Pokovic, die Tochter des Polizeichefs auf der Insel Vis und führt das Hotel, das sich ihre Mutter, die bei ihrer Geburt gestorben ist, immer gewünscht hatte. Im Verlauf der Handlung, die mit dem Mord an zwei Rechtsradikalen beginnt, wird klar: Pokovics Geschichte und die der Mordopfer sind durch ein schreckliches Verbrechen zur Zeit des Bürgerkriegs verknüpft.

Der Schnee hat sich mittlerweile zu Schneeregen gewandelt, Laura Berlin kehrt in das Books & Bagels auf der Warschauer Straße ein, das, wie der Name erahnen lässt, Bagel- und Buchladen in einem ist. „Dass wir jetzt ausgerechnet in so einem hippen Laden gelandet sind.“ Berlin schmunzelt. Sie trinkt grünen Tee und isst Rosmarinbagel mit Sour Cream – vegan. Seit einem Jahr verzichtet sie ganz auf tierische Produkte, aus ethischen Gründen. Sie hat nichts gegen Hipster, mag den Simon-Dach-Kiez, weil er „immer noch durchmischt“ sei und es dort gute Rock- und Metalclubs gebe. Sie geht gerne in Paules Metal-Eck oder ins Halford. Aber klar: „Gentrifizierung und explodierende Mietpreise sind scheiße.“

Glückliches Dorfleben

Sie macht da nicht mit, ist schon vor fünf Jahren aufs Land gezogen, nördlich von Berlin. Mit ihrem Freund, einem Kater und fünf Hühnern wohnt sie am Rande eines Dorfs, nirgendwo war sie je glücklicher. Die Dorfgemeinschaft habe sie mit offenen Armen empfangen, sagt sie. Oberflächlichkeiten, von denen die Modewelt regiert wird, zählen dort nicht. In ihrer alten Nachbarschaft fühlt sich Laura Berlin aber immer noch wohl, auch wenn sie schon lange nicht mehr hier lebt. Sie hat in Berlin in vielen Stadtteilen gewohnt, bevor sie weggezogen ist: in Karow, Köpenick und in Prenzlauer Berg.

Wenn sie nicht gerade fürs Fernsehen dreht, wie aktuell für die zweite Staffel der Sat1-Serie „Einstein“ in Köln, oder als Notärztin für „Notruf Hafenkante“ in Hamburg vor der Kamera steht, geht sie nach dem Frühstück am liebsten raus, zwei, drei Stunden spazieren. Das ist der Luxus, den sie sich gönnt, sagt die 27-Jährige. Sie sieht jünger aus, das kommt ihr in ihrem Job zugute, sie weiß, dass es für Frauen in der Branche ab einem gewissen Alter schwierig wird. Zwischen 30 und 50 Jahren, glaubt sie, gebe es weniger weibliche Rollen, außer die der Mutter oder der Lehrerin. Noch ist sie ein junges, frisches Gesicht. „Kommerziell“ wurde ihr Typ in der Modewelt genannt.

Patti Smith ist ihr großes Idol

Was denkt sie über die Me-too-Bewegung, durch die in der Schauspielbranche Sexismus öffentlich gemacht wird? „Es ist wichtig, dass Menschen für ihr Tun zur Verantwortung gezogen werden“, sagt sie. Und dass man den Opfern zuhört. Sie selbst habe in ihrer Arbeit keinen Sexismus erlebt. Was nicht heiße, dass es ihn in Deutschland nicht gebe.

Der Niederschlag hat aufgehört. Bevor sie das Café verlässt, sagt Laura Berlin: „Ich finde es schön, dass wir hier reingegangen sind.“ Sie mag Buchläden und sie weiß genau, wo hier jenes Werk liegt, das ihr den Perfektionsdruck genommen und sie aus dem Loch geholt hat, in dem sie sich mit Anfang 20 noch befand: „Just Kids“ von Patti Smith, ihrem großen Idol. Smith, die Eigensinnige, die nicht um jeden Preis gefallen wollte, hat die Poesie in Berlins Leben zurückgebracht.

„Mord auf Vis - Der Kroatien-Krimi“, 25. Januar, 20.15 Uhr, ARD

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